«Haben Sie beim Bäcker schon mal passiv Brötchen gekauft?»
Tim Guldimann, der Schweizer Botschafter in Deutschland, schaltet sich in die vergiftete Debatte um das Steuerabkommen ein. Er warnt eindringlich vor einem Scheitern des Vertrags und betont die Leistungen der Schweiz.

Die neu entbrannte Kontroverse um das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland hat Tim Guldimann, den Schweizer Botschafter in Berlin, auf den Plan gerufen. Im Gespräch mit der «Rheinischen Post» gibt er sich zwar diplomatisch: Es lasse sich nicht verneinen, dass das Schweizer Bankgeheimnis für Steuerhinterziehung missbraucht worden sei. Das Ziel der Schweizer Regierung sei daher, dass nur noch versteuerte Guthaben in der Schweiz angelegt werden.
«Ein Ankauf ist immer aktiv»
Gleichzeitig warnt Guldimann die deutschen Beamten jedoch auch davor, mit einer unnachgiebigen Haltung das Abkommen zu gefährden. Bis vor kurzem habe in der Schweiz eine Mehrheit den Steuerdeal unterstützt. Aber: «Ich kann nicht ausschliessen, dass diese Zustimmung wegen der fortgesetzten Gerüchte über Ankäufe von gestohlenen Daten durch deutsche Behörden abnimmt», macht Guldimann im heute erschienenen Interview deutlich.
Finanzminister Walter-Borjans beruft sich bei den CD-Käufen rechtlich auf jene Klausel im Vertragswerk, wonach lediglich «aktive Ankäufe» von Daten verboten seien. Botschafter Guldimann findet klare Worte für diese Wortschrauberei: «Haben Sie beim Bäcker schon mal passiv Brötchen gekauft? Ein Ankauf ist immer aktiv.» Zudem betont der Diplomat die bereits in die Wege geleiteten Regulierungen auf dem Schweizer Finanzplatz. Diese «weitgehenden Leistungen» wie etwa Gesetze gegen Insidergeschäfte, gegen Potentatengelder oder gegen Geldwäsche würden «gerne übersehen».
Nachverhandlungen «unrealistisch»
In diesen Bereichen sei die Schweiz inzwischen weiter als die meisten anderen Staaten. Und dass sie sich mit dem Steuerabkommen gar zum Steuereintreiber für den deutschen Fiskus mache, sei weltweit ebenfalls einzigartig. Der Absicht der SPD und der Grünen, das Abkommen nachzuverhandeln, erteilt Guldimann eine Absage: «Es wäre nicht realistisch, auf Verhandlungen zu einem für Deutschland besseren Steuerabkommen zu hoffen.»
Dieser Meinung ist auch die schwarz-gelbe Regierung Merkel – Korrekturen an dem unterzeichneten, aber noch nicht ratifizierten Vertrag schliesst sie aus. Durch das Vorpreschen Walter-Borjans' sieht sie ihre Aussenpolitik torpediert. Es werde alles getan, damit der Deal in Kraft treten könne, betonte ein Regierungssprecher unlängst. Die Bundeskanzlerin erachte das Steuerabkommen als den geeigneten Weg, um «dieses schwierige Thema zwischen beiden Ländern zufriedenstellend zu lösen».
Referendum im November?
Die neusten Entwicklungen im Steuerstreit dürften Wasser auf die Mühlen der Gegner in der Schweiz sein: Derzeit werden Unterschriften gegen den Steuerdeal gesammelt. Sollten innerhalb von 100 Tagen 50'000 Personen unterzeichnen, würde das Abkommen noch im November an die Urne kommen. Geplant ist eigentlich, dass es im Januar 2013 in Kraft tritt.
In Deutschland entscheidet der Bundesrat im Herbst darüber. In der Länderkammer hat die Regierung jedoch keine Mehrheit dafür, denn von der SPD und den Grünen geführte Länder lehnen es kategorisch ab.
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