Häftling gewinnt Friedensnobelpreis – China reagiert empört
Der chinesische Literaturprofessor Liu Xiaobo holt den Friedensnobelpreis 2010. Ein harscher Kommentar aus Peking liess nicht lange auf sich warten.
Der inhaftierte chinesische Dissident Liu Xiaobo erhält den Friedensnobelpreis 2010. Das norwegische Nobelkomitee erklärte am Freitag in Oslo, Liu werde für seinen «langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte in China ausgezeichnet».
China habe grosse wirtschaftliche Fortschritte gemacht und sei nun die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt, sagte Komiteechef Thorbjoern Jagland. Dieser neue Status ziehe grössere Verantwortung nach sich. Die Volksrepublik müsse auch die politischen Rechte seiner Bürger verbessern.
«China verstösst gegen die Einhaltung einiger internationaler Abkommen, die es selbst unterzeichnet hat und missachtet auch eigene Vorschriften bezüglich politischer Rechte», sagte Jagland. «Es ist unsere Verantwortung, zu sprechen, wenn andere nicht sprechen können.»
Auszeichnung an einen «Kriminellen»
Es wurde damit gerechnet, dass die Auszeichnung in China scharfe Kritik auslösen würde. Die Regierung in Peking hatte in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass eine Ehrung von Liu als «unfreundlicher Akt Norwegens» betrachtet würde.
Die chinesische Regierung hat entsprechend empört auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dissidenten Liu Xiaobo reagiert und sieht das Verhältnis zu Norwegen beschädigt. «Liu Xiaobo ist ein Krimineller, der von der chinesischen Justiz wegen Verstösse gegen chinesisches Recht verurteilt wurde», erklärte das Aussenministerium am Freitag rund eineinhalb Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung in Oslo.
Die Auszeichung Lius «läuft völlig dem Prinzip des Preises zuwider und stellt zudem eine Schmähung des Friedenspreises dar», kritisierte die chinesische Regierung weiter. Der Preis hätte besser für die Förderung der internationalen Völkerverständigung und der Abrüstung verliehen werden sollen.
Mundtot gemacht
Liu wurde im Dezember vergangenen Jahres inhaftiert und soll eine elfjährige Strafe absitzen. Ihm wird zur Last gelegt, Hauptverfasser der Charta 08 zu sein - eines Manifests chinesischer Intellektueller und Bürgerrechtsaktivisten, in dem Redefreiheit und freie Wahlen gefordert werden. Die Anklage lautete auf Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt.
Bekannt wurde der frühere Literaturprofessor als einer der Anführer des Hungerstreiks während der Studentenproteste auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking 1989. In den 90er Jahren wurde er für 20 Monate inhaftiert und verbrachte drei Jahre im Arbeitslager und mehrere Monate unter Hausarrest.
Deutschland und Frankreich fordern die Freilassung
Amnesty International begrüsste die Auszeichung für Liu und forderte die sofortige Freilassung des Dissidenten und weiterer Gewissensgefangener in China.
Auch die deutsche und die französische Regierung forderten am Freitag erneut die Freilassung Lius. Wie auch die Europäische Union hatten sie sich wiederholt besorgt über die Verhaftung des Menschenrechtsaktivisten gezeigt.
«Die Bundesregierung wünscht sich, dass er aus der Haft freikommt und den Preis selber in Empfang nehmen kann», sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.
Liu weiss noch nichts vom Preis
Wer die Auszeichnung für den inhaftierten Oppositionellen entgegennehmen wird ist derzeit noch nicht bekannt. «Wer wird bei der Zeremonie sein? Wir wissen es noch nicht. Das ist etwas, das wir ausser acht lassen, wenn wir den Preisträger bestimmen», sagte Komiteepräsident Jagland.
Das Komitee habe bislang weder Liu noch seine Frau anrufen können, um ihnen die Entscheidung mitteilen zu können, fügte Jagland hinzu. «Wir werden die chinesischen Behörden bitten, die Nachricht Liu zu überbringen», sagte Jagland.
Der mit zehn Millionen Schwedische Kronen (1,44 Millionen Franken) dotierte Friedensnobelpreis wird am 10. November, dem Todestag seines Stifters Alfred Nobel, im norwegischen Oslo verliehen.
Im vergangenen Jahr ging der Friedensnobelpreis überraschend an US-Präsident Barack Obama. Die Wahl galt als umstritten, zumal Obama erst seit neun Monaten im Amt war und zwei Kriege in Afghanistan und im Irak führte.
dapd/sda/mrs
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch