
Finanzielle Reserven gewähren Planbarkeit und Sicherheit auch in Krisen. Sie sind ein Puffer, federn die ärgsten Schläge ab und verhindern das Schlimmste. Reserven sind in der Politik und der Wirtschaft wie Airbags in den Autos – gerade in diesen schwierigen Zeiten.
Der Bundesrat selbst macht es vor: Das 40-Milliarden-Paket für die Bewältigung wirtschaftlicher Corona-Folgen war nur möglich, weil der Bund unter anderem dank der Schuldenbremse über den nötigen finanziellen Spielraum verfügte.
Aber auch wir Krankenversicherer können dank unserer Reserven zu Stabilität und Beruhigung beitragen: Die Krankenkassen garantierten öffentlich, dass es nicht zu pandemiebedingten Prämienaufschlägen kommen wird.
Der Bundesrat gefährdet die Stabilität des Gesundheitssystems.
Die Prämien werden im Durchschnitt 2021 ebenfalls nur leicht ansteigen, für viele Versicherte werden sie gar tiefer liegen als im Vorjahr. Dies auch dank Abfederung der Corona-Kosten aus den Reserven der Krankenversicherer.
Ausgerechnet jetzt aber will der Bundesrat die Krankenversicherer dazu bringen, ihre finanziellen Reserven so weit wie nur möglich herunterzufahren. Damit gefährdet er die Stabilität des ganzen Gesundheitssystems. Das ist fahrlässig und fatal.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Krankenversicherer angeblich übermässig vorhandene Reserven abbauen sollen. Er hat dazu im Herbst eine Änderung der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung vorgeschlagen.
Kein Versicherer kann es sich leisten, beliebig viele Reserven anzuhäufen.
Mit seiner Vorlage erweckt der Bundesrat den irreführenden Eindruck, alle Krankenversicherer verfügten rundum über überflüssige Mittel in Form von Reserven. Zur Einordnung: Die Krankenkassen zahlen pro Jahr gut 33 Milliarden Franken für Leistungen in der Grundversicherung. Unsere Reserven liegen bei nur rund 10 Milliarden. Also entsprechen die Reserven lediglich der Summe von drei bis vier Monatsprämien.
Zur Beruhigung des Bundesrats kann ich festhalten: Der Wettbewerb funktioniert und führt dazu, dass es sich kein Versicherer leisten kann, beliebig viele Reserven anzuhäufen. Derselbe Wettbewerb könnte im Falle einer Umsetzung der Pläne jedoch bewirken, dass einige Versicherer ihre Reserven unter das ökonomisch vernünftige Mass senken – mit dem Segen des Bundesrats.
Das ist sicher nicht im Interesse der Versicherten. Diese müssten gemäss gesetzlichen Vorgaben nämlich solidarisch haften, wenn ein Versicherer durch unverantwortliches Wirtschaften insolvent wird. Wer sauber wirtschaftet, würde bestraft. Für die Versicherten wäre eine solche Entwicklung äusserst schädlich. Deshalb ist die Forderung nach einem Abbau der Reserven reiner Populismus.
Bei den Banken tut der Bundesrat genau das Gegenteil. Hier verlangt er, dass die Wertreserven erhöht werden, um die Stabilität sicherzustellen. Damit misst der Bundesrat mit unterschiedlichen Ellen.
Der Staat kann nicht in einer Ferndiagnose dafür Verantwortung tragen,
wie hoch die Reserven der Krankenkassen sein sollen.
Die Reserven gehören selbstverständlich den Prämienzahlerinnen und Prämienzahlern. Von diesen profitieren nicht die Versicherer selbst, etwa um Gewinne zu schreiben oder Dividenden auszuschütten – das wäre weder legal noch richtig. Schon heute werden die Reserven abgebaut, wenn sie aus Sicht des Krankenversicherers zwecks Risikoabsicherung nicht mehr notwendig sind. So haben verschiedene Krankenversicherer im Corona-verseuchten 2020 entschieden, insgesamt rund 221 Millionen Franken an die Versicherten zurückzuzahlen.
Ob Reserven abgebaut werden, ist eine unternehmerische Entscheidung, für die der Krankenversicherer in intimer Kenntnis der Sachlage Verantwortung trägt. Und nicht der Staat per Ferndiagnose.
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Gastkommentar zu den Gesundheitskosten – Hände weg von den Reserven der Krankenkassen
Der Bundesrat will die Reserven der Krankenversicherer ausgerechnet in Corona-Zeiten abbauen. Das ist fahrlässig.