Häuptling Reinigendes Wasser
Hans Salzmann, der Badmeister von Oberuzwil, ist ein Freund des Duschens – und der Indianer.

Es ist heiss, der Schweiss läuft, jetzt einfach nur rein ins erfrischende Nass. Das regt Hans Salzmann richtig auf: «Es sollte doch logisch sein, dass man, verschwitzt, wie man in diesen Tagen immer ist, zuvor rasch unter die Dusche steht.» Um den Körper auf das kühle Wasser vorzubereiten, aber auch der Hygiene wegen.
Doch eben: «Die Leute duschen nicht.» Hans Salzmann weiss, wovon er spricht, seit 30 Jahren ist er Badmeister, davon zehn Sommer lang in den Zürichseebädern von Thalwil, nun in der zwölften Saison im Freibad im Ghürst in Oberuzwil SG. Wir sitzen auf weissen Plastikstühlen unter blauen Sonnenschirmen, die für Glace werben. Hans, «ich bin für alle der Hans», ist Leiter Schweizerischer Badmeister-Verband Region Ost. Hans sagt, er habe sich umgehört, das «leidige Thema Sauberkeit» beschäftige alle Badmeister.
Wer sind die Sünder? «Alle, durchs Band.» Ob alt oder jung, Frau oder Mann, Mädchen oder Bub, Zürcher oder St. Galler – sie alle steigen ins Schwimmbecken, schweissgebadet, wie sie sind. Hans zeigt auf ein Schild beim Durchschreitebecken, «Duschen obligatorisch», steht unübersehbar da. Er könne es sich wirklich nicht erklären, sagt Hans. Vielleicht weil die Dusche zum Schwimmbecken immer so eiskalt ist, so eisig kalt, dass man höchstens unter dem Strahl hindurchrennt? Das Argument zieht hier nicht: «Unsere Duschen sind nicht kalt.» Tatsächlich fliesst aus der einen Dusche von Solarzellen erwärmtes Wasser. Ein Luxus, den nicht jede Badi hat.
«Hans, häsch öppis?»: Auch die Kinder dürfen ihn duzen
Das Freibad Oberuzwil ist ein idyllisches Familienbad, «friedlich, hier hast du trotz Kindern deine Ruhe», sagt Hans. Denn jede Gruppe hat ihren Sektor, Mütter und Kinder richten sich ums Planschbecken ein, die Teens oben am Hügel, die älteren Leute im Schatten der Bäume. 1500, 1600 Leute bringe man rein, im Hitzesommer 2003 habe man gegen 2000 Besucher gezählt. Dieser Rekord würde 2018 kaum gebrochen, es sei zwar sehr trocken, aber bisher weniger heiss als damals.
Ein kleines Mädchen kommt vorbei, zeigt auf eine Rötung am Arm: «Hans, häsch öppis?» Hans holt eine Salbe, alles wieder gut. Auch die Kinder dürfen in duzen, die meisten rufen «Hoi Badmeister», wann immer sie ihm begegnen. Er sei Freund und Respektsperson in einem, «man muss mich nicht aufs Podest stellen, ich bin ein Mensch wie du und ich» – mit dem Unterschied, dass er für die Sicherheit in seiner Badi sorge. Aber den Polizisten spielen will er nicht: «Ich sage immer: Kinder müssen sich doch irgendwo austoben können, ist ja sonst überall verboten.»
Wenns allerdings überbordet, wenn die Jungs und Mädels meinten, sie müssten stehend die breite Rutschbahn runter oder im Sekundentakt vom Sprungturm gumpen – «dann ist fertig lustig». Die dritte Verwarnung hat ein dreitägiges Badiverbot zur Folge. Saisonverbote spricht er so zweimal im Jahr aus, meist betrifft es Jugendliche aus dem nahen Kantonalen Jugendheim Plantanenhof, die sich auch in der Badi mit Regeln schwertun.
Eine schwangere Frau, ihren kleinen Buben an der Hand, fragt, ob Hans das grüne Krokodil aufpumpen könnte. Natürlich kann er. Der 49-Jährige, der im Winter vor allem Autopneus wechselt, könnte sich keinen anderen Beruf vorstellen: «Ich sage es mal so, Badmeister ist kein Beruf, sondern Einstellungssache.» Man müsse diesen Job leben. Menschen gern haben. «Kommunikation ist das A und O.» Er nehme sich immer Zeit für «es Schwätzli», so hat er vergangenen Sommer nebenbei erfahren, dass die ältere Kundschaft Handgriffe an den Toiletten wünscht. Et voilà, schon sind diese angebracht.
Um Badmeister werden zu können, musste er erst schwimmen lernen
Salzmann ist wohl der einzige Badmeister überhaupt, der erst drei Monate vor Stellenantritt zu schwimmen gelernt hat. Und er erzählt sicher nicht zum ersten Mal, wie er damals als junger Bursche aus dem Gummiboot in den See gefallen ist, «da hat es klick gemacht». Die Mutter müsse heute noch lachen, ausgerechnet ihr wasserscheuer Bub sei heute Badmeister. Besteht alle zwei Jahre die Schwimmprüfung mit Schwerpunkt Lebensrettung. «Ich bin auch BLS/AED-Experte», sagt Hans. Bitte, was? «Herzmassage und Defibrillator», erklärt er.
Eigentlich hätte er als Zimmermann/Bauschreiner sein Geld verdienen sollen, doch er kam mit dem Chef nicht klar, hat fristlos gekündigt, zwei Tage später, mit 19 Jahren, war er Badmeister. Heute ist er Herr über einen Schlüsselbund mit 30 Schlüsseln! Um den linken Oberarm hat Hans ein indianisches Lederband mit Feder gebunden, «mein Markenzeichen», er trage es «plus/minus» immer. Der Wolf, der auf dem rechten Oberarm den Mond anheult, sei ebenfalls «aus dem Schamanischen» –er habe 20 Jahre zugewartet, bis er das für ihn passende Motiv gefunden habe.
Zurück zur Hygiene: Junge Burschen, aber auch Frauen stünden punkto Reinlichkeit vor allem in der Kritik. Die Jungs, weil sie Unterhosen unter den Badeshorts tragen. Die Frauen, weil sie morgens den Bikini anziehen, aber erst nach der Arbeit schwimmen gehen. Er bekomme ja mit, wie die Frauen auf der Wiese den Rock ausziehen und darunter den Bikini tragen. Warum haben sie den ganzen Tag die Badehose an? Warum ziehen sie sich nicht hier um? Für Hans ein unerklärliches Phänomen.
Sicher 10-, 15-mal am Tag müsse er seine Gäste aufs Duschen hinweisen. Freundlich, aber bestimmt sagt er dann: «Hallo, Duschen wäre eigentlich obligatorisch.» Nein, peinlich sei ihm das nicht: «Ich habe meine Badeordnung, die ich durchsetzen muss.» Vor allem von Eltern würde er erwarten, dass sie sich kurz unter den Wasserstrahl stellen würden, «die haben doch Vorbildfunktion». Was Hans aufstellt: Die Jungen würden ihren Kollegen inzwischen selber sagen, dass mal wieder eine Dusche fällig wäre. «Das zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin.»
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