Hallo, hier bin ich!
Dieses Bild geht gerade um die Welt – was ist hier los?

Wieso gucken die Leute nicht in die Richtung von Hillary Clinton? Steht da jemand noch Berühmteres? Es braucht einen Moment, bis man merkt, was auf diesem Bild passiert: Die Menschen schiessen Selfies von sich mit der Politikerin. Das Bild entstand während einer Wahlveranstaltung in Orlando. Jemand von Clintons Team hat es auf Twitter gestellt. Die surreale Szene steht für einen neuen Gipfel der Selbstknipserei, von der man dachte, es könne einen nichts mehr erstaunen: Ob im Restaurant oder vor dem Holocaust-Denkmal – überall werden seit ein paar Jahren Selfies geschossen. Doch das begehrenswerteste Sujet ist eine berühmte Person im Hintergrund. So gelang es zwei Touristinnen kürzlich, die Queen einzufangen. Und während der Euro stürmte ein Fan das Feld, um ein Selfie mit Ronaldo zu machen. Die Psychologie dahinter ist simpel: Man entführt den Ruhm von jemand anderem, um selber ein paar Sekunden Aufmerksamkeit in der Facebook-Timeline zu bekommen. Ist das schlimm? Nun, man könnte bedauern, dass die Leute nicht mehr selber präsent sind, sondern nur noch gesehen werden wollen. Dass sie sich wichtiger vorkommen als die wahrscheinlich erste US-Präsidentin. Wo wir uns gerade wohlig in Kulturpessimismus suhlen, stellt sich auch die Frage, wohin der Trend noch führt. Waren Selfies bisher eine individuelle Angelegenheit, knipst hier eine Masse. Haben wir bald AC/DC-Konzerte mit 40'000 «Zuschauern», die der Band den Rücken zukehren? Und wie hat sich wohl Clinton gefühlt, als das Foto entstand? Ihr kanns recht sein. Das Bild geht gerade um die Welt. Aber vielleicht überlegt sie sich, ob sie beim nächsten Mal wirklich winken soll.