Hat sich Obama im Fall Hagel verkalkuliert?
Die Republikaner blockierten gestern Abend im Senat vorerst die Ernennung von Chuck Hagel zum neuen US-Verteidigungsminister – ein einmaliger Vorgang in der US-Geschichte.
Eigentlich hat Leon Panetta nach all den Jahren höchster politischer Verantwortung nur noch ein Ziel: Der scheidende US-Verteidigungsminister will endlich aus dem hektischen Washington auf seine Walnussfarm in Kalifornien ziehen. Doch Panetta muss wohl noch etwas länger im Amt bleiben. Die Republikaner blockierten gestern Abend im Senat vorerst die Ernennung von Nachfolger Chuck Hagel – ein einmaliger Vorgang in der US-Geschichte. Dennoch dürfte der umstrittene Wunschkandidat von Präsident Barack Obama am Ende ins Pentagon einziehen. Bei einer Veranstaltung in Washington scherzte Panetta am Donnerstag, dass er «verdammt nochmal die Stadt verlassen» wolle. Sein Büro sei aufgeräumt, Ehefrau Sylvia packe daheim die letzten Dinge zusammen. «Ich bin bereit zu gehen», sagte der 74-Jährige. Doch wenige Stunden später scheiterten Obamas Demokraten mit dem Versuch, die Blockade von Hagels Bestätigungsverfahren im Senat durch die Republikaner zu brechen. Für ein Ende des sogenannten Filibuster wäre die Unterstützung von 60 der 100 Senatoren nötig gewesen, die Demokraten konnten aber nur 58 Stimmen mobilisieren.
Der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Harry Reid, war ausser sich. Die Blockade sei «eines der traurigsten Spektakel, die ich in meinen 27 Jahren im Senat miterlebt habe», sagte er. Noch nie in der Geschichte der USA hatten Senatoren einen Kandidaten für das Amt des Verteidigungsministers per Filibuster torpediert. Bei diesem Griff in die parlamentarische Trickkiste werden Abstimmungen mit Endlosdebatten verzögert. Und Hagel ist erst der dritte Kabinettsanwärter, der diese Misstrauensäusserung ertragen muss.
Acht Stunden lang Kreuzverhör
Dem früheren republikanischen Senator aus Nebraska bläst aus der eigenen Partei ein scharfer Wind entgegen, seit Obama ihn Anfang Januar als neuen Chef des Pentagon präsentierte. Die Konservativen werfen ihm mangelnde Solidarität mit Israel und zu grosse Nachgiebigkeit gegenüber dem Iran vor. Ausserdem haben sie es dem 66-jährigen Hagel nie verziehen, sich gegen die Irakpolitik des früheren Präsidenten George W. Bush gestellt zu haben.
Bei einer Anhörung im Streitkräfte-Ausschuss des Senats Ende Januar nahmen die Republikaner Hagel acht Stunden lang ins Kreuzverhör. Der Kandidat mühte sich, die Bedenken zu entkräften. Doch immer wieder geriet Hagel ins Stocken, korrigierte seine Aussagen, wirkte überfordert. Sein einstiger Freund John McCain warf ihm vor, sich mit seiner Ablehnung der US-Truppenaufstockung im Irak auf «die falsche Seite der Geschichte» gestellt zu haben. Auch wegen früherer Kommentare zum Einfluss der «jüdischen Lobby» in Washington geriet der designierte Verteidigungsminister in die Defensive.
Hagel verpasst wichtiges Treffen
Immer wieder drohten die Republikaner in den vergangenen Wochen damit, die Berufung von Hagel aufzuhalten. Dabei forderten sie weitere Informationen über Reden, die Hagel seit seinem Ausscheiden aus dem Senat vor vier Jahren gehalten hat. Ausserdem verknüpften sie die Personalie mit der Rolle des Weissen Hauses bei der tödlichen Attacke auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi im September vergangenen Jahres - auch wenn Hagel selbst damit nichts zu tun hatte.
Der Streitkräfte-Ausschuss votierte am Dienstag entlang der Parteilinien knapp für eine Bestätigung Hagels, über der Entscheidung im Plenum schwebte aber die Filibuster-Drohung. Schliesslich setzte Reid am Donnerstag kurzfristig die Verfahrensabstimmung an, um endlich ein Votum über die eigentliche Bestätigung Hagels zu erzwingen - und scheiterte.
Heute verabschiedet sich der Senat in eine sitzungsfreie Woche. In dieser Zeit verpasst Hagel ein wichtiges Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel zum Abzug aus Afghanistan. Für den 26. Februar kündigte Reid eine erneute Abstimmung an. Mehrere republikanische Senatoren haben erklärt, nach der Sitzungspause die Blockade aufzugeben – dann reicht für die Bestätigung Hagels die einfache Mehrheit von 51 Senatoren. Doch der neue Pentagonchef würde sein Amt schwer beschädigt antreten.
AFP/chk/bru
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