Hausarrest statt Haft für den Kapitän
Noch immer fehlt von zahlreichen Passagieren der Costa Concordia jede Spur. Der Kapitän sagte in einer Anhörung vor Gericht, er habe tausende Leben gerettet.
Der Kapitän des vor der toskanischen Küste havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia soll nach Angaben seines Anwalts aus der Untersuchungshaft entlassen und unter Hausarrest gestellt werden. Die italienische Nachrichtenagentur ANSA und der Fernsehsender Sky TG24 TV zitierten den Verteidiger Bruno Leporatti mit der Aussage, der Richter habe die Forderung der Staatsanwaltschaft abgelehnt, Kapitän Francesco Schettino weiter in Haft zu behalten.
Der Richter habe aber auch das Gesuch der Verteidigung abgelehnt, Schettino freizulassen, hiess es weiter. Schettino widersprach bei der dreistündigen Anhörung seinem Anwalt zufolge der Darstellung, das Schiff verlassen zu haben. Er habe den Ermittlern gesagt, «tausenden Menschen das Leben gerettet» zu haben.
Weitere Leichen entdeckt
Vier Tage nach dem schweren Schiffsunglück ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf elf gestiegen. Im Wrack des Schiffes wurden gestern fünf weitere Leichen entdeckt, wie italienische Medien berichteten. Die Toten seien im überfluteten Heckteil des gekenterten Schiffes entdeckt worden, bestätigte ein Sprecher der Gemeinde Giglio.
Ob es sich um Passagiere oder Besatzungsmitglieder handelte, blieb zunächst unklar. Damit erhöht sich die Zahl der geborgenen Opfer auf mindestens elf. Insgesamt blieben noch 24 Menschen vermisst. Darunter befinden sich nach Angaben des italienischen Krisenstabes Personen aus Deutschland, Italien, Frankreich, den USA, Ungarn, Indien und Peru.
Nachdem die Suche in der Nacht aus Sicherheitsgründen eingestellt worden war, sprengten Experten mehrere Löcher in den Rumpf, damit die Rettungsmannschaften besseren Zugang zu bislang versperrten Bereichen des Schiffes erhielten. Hoffnungen, dass die Vermissten noch lebend geborgen werden könnten, hatten die Rettungsmannschaften kaum noch.
Belastendes Telefongespräch
Durch neue Zeugenaussagen, Dokumente und andere Indizien geriet der bereits stark unter Beschuss stehende Kapitän des Schiffes, Francesco Schettino, weiter in Erklärungsnotstand. Mitschnitte eines Telefonats zwischen Schettino und einem Offizier der zuständigen Kommandantur des Festlandhafens von Livorno erhärteten den Verdacht, dass der Kapitän noch vor Ende der Evakuierung von Bord ging.
Im Telefongespräch wird Schettino, der sich zu diesem Zeitpunkt offenbar bereits in einem der Rettungsboote befindet, wiederholt zu einer Rückkehr auf die Costa Concordia aufgefordert. Gegen Ende des aufgezeichneten Gesprächs willigt Schettino schliesslich zu einer Rückkehr auf das Schiff ein. Ob er es tatsächlich tat, bleibt ungewiss.
Nach einer dreistündigen Anhörung Schettinos entschied die zuständige Richterin heute Dienstag, den Kapitän unter Hausarrest zu stellen. Schettino widersprach bei der Anhörung seinem Anwalt zufolge der Darstellung, das Schiff verlassen zu haben. Er habe den Ermittlern gesagt, «tausenden Menschen das Leben gerettet» zu haben.
Schwere Vorwürfe
Der 52-Jährige soll eigenmächtig die gefährlich nahe Route gewählt haben, um seinem von der Insel stammenden Oberkellner die Möglichkeit zu geben, Giglio zu grüssen. Medienberichten zufolge hatte dessen Schwester auf dem sozialen Netzwerk Facebook angekündigt, dass die Costa Concordia bald ganz nah vorbeifahren werde.
Schettino zufolge war der Felsen, mit dem das Schiff kollidierte, nicht kartografiert. Dieser Darstellung widersprachen allerdings sowohl die Reederei als auch Schifffahrtsexperten. Die italienische Staatsanwaltschaft wirft ihm mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und Verlassen der Costa Concordia während der Evakuierung vor. Schettino drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft.
Das Kreuzfahrtschiff mit 4200 Menschen an Bord war am Freitag nahe der Insel Giglio vor der Westküste Italiens auf einen Felsen gefahren und gekentert. Der 290 Meter lange Luxusliner liegt derzeit in starker Schräglage vor der Insel und droht abzurutschen.
Drohende Umweltschäden
Neben der menschlichen Tragödie rücken mehr und mehr mögliche Umweltauswirkungen ins Blickfeld. Bis zu 2400 Tonnen Schweröl sollen in dem Schiff sein. Noch ist keine grössere Menge ausgetreten.
Mit dem Abpumpen des Treibstoffs könnte am Mittwoch begonnen werden. «Wir sind bereit, die Operation am Mittwoch zu starten», sagte ein Verantwortlicher der niederländischen Bergungsfirma Smit Salvage, die mit den Arbeiten beauftragt wurde, bei einer telefonischen Pressekonferenz. Umweltschutzverbände äusserten sich besorgt: Dem wichtigsten Walschutzgebiet im Mittelmeer drohe eine Katastrophe.
sda/dapd/ami
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