Heftige Reaktionen aus der SP nach dem Galladé-Austritt
Nach Chantal Galladés Wechsel zur GLP können sich ehemalige Genossinnen und Genossen vor Wut kaum zurückhalten. Der Abgang sei stillos, die Begründung fadenscheinig.
Als Mattea Meyer, Nationalrätin und Co-Präsidentin der Winterthurer SP, spätabends ihre E-Mails checkte, erfuhr sie nur die halbe Wahrheit, doch schon diese hatte es in sich: Chantal Galladé verlässt die SP. Jene Partei, die sie in den vergangenen 25 Jahren bei so manchem Wahlkampf unterstützte, ihr eine Karriere als Berufspolitikerin ermöglichte. «Für die Partei ist es eine Enttäuschung. Für die Stimmberechtigten eine Irreführung», sagt Meyer. Dass Galladé zur GLP wechselt, teilte sie ihren Gschpänli nicht mit. Das erfuhren diese aus den Medien.
Noch im vergangenen Sommer liess sich Galladé als SP-Schulpflegepräsidentin in Winterthur wählen. Galladé hatte schon im Dezember die SP öffentlich kritisiert, sich über eine «zu enge Ideologie» und «niedrige Toleranz» beklagt. Ein Gespräch mit ihr sei trotz Bemühungen der Parteileitung aber nie zustande gekommen, sagt Mattea Meyer. Auch zu einer Verabschiedung nach ihrem Rücktritt aus dem Nationalrat sei es nie gekommen, drei Termine hätten Galladé nicht gepasst, wie mehrere aus der SP Winterthur berichten.
Galladé ist nicht die erste prominente Politikerin, die ihre Partei verlässt. Video: Marisa Eggli, Tagesanzeiger
Wieso löst ein Parteiwechsel von jemandem, der nur noch in der Lokalpolitik tätig ist, ein solches Echo aus? «Chantal Galladé trifft einen Nerv», sagt Politgeograph Michael Hermann. Sie zeige einen Weg auf, den auch andere gehen könnten, sowohl bei den Wählern als auch bei den Politikern.
Galladés Wechsel, so Hermann, schaffe Vertrauen in die GLP für Leute, die bei der SP nicht mehr zufrieden sind. Galladé zeige sich als «die Unerschrockene, die es wagt, obwohl andere vielleicht auch schon darüber nachgedacht haben».
Gemäss Michael Hermann ist bei der GLP jetzt die zweite Generation am Werk. Die Partei habe sich geöffnet, modernisiert und zeige weniger Berührungsängste nach links und rechts. «Die GLP ist jetzt eine progressive Mittepartei.»
Jositsch war vorinformiert
SP-Ständerat Daniel Jositsch war als enger Vertrauter von Galladé einer der ganz wenigen, die über den Parteiwechsel vorinformiert waren. «Auf die kommenden Wahlen hat dieser Wechsel keinen Einfluss», ist er überzeugt. «Für solche persönliche Entscheide gibt es nie einen guten und einen schlechten Zeitpunkt, zumal auch im Herbst wieder Wahlen anstehen.»
Er habe Galladé geraten, ihren Entscheid möglichst bald zu kommunizieren – «so etwas lässt sich in der Politszene höchstens Stunden oder Tage unter dem Deckel halten.»

Die inhaltlichen Kritikpunkte von Galladé an der SP kann Jositsch «vollumfänglich teilen». Er hat zusammen mit Galladé in der Reformplattform mitgearbeitet. «In meiner Position», sagt er, «versuche ich die die Themen innerhalb der Parteiorgane zu bearbeitet und nicht ausserhalb.» Jositsch gehts dabei – wie auch Galladé – vor allem um das Rahmenabkommen mit der EU und eine verlässliche Wirtschaftspolitik der SP.
Ungünstiger Zeitpunkt
Besonders emotional wird Galladés Coup in der Winterthurer SP diskutiert. Was den allermeisten sauer aufstösst: Ihr Austritt fällt exakt mit dem Verschicken der Wahlunterlagen für die kantonalen Wahlen vom 24. März zusammen. Dümmer – oder vielleicht auch schlau berechnend – hätte der Zeitpunkt kaum gewählt werden können. Zudem fehlt der SP Winterthur künftig auch ein mittlerer vierstelliger Betrag, den Galladé gemäss Ihrem Nettoeinkommen an die Partei abliefern muss.
Der Winterthurer Co-Präsident Felix Steger, der Galladé schon als Schüler im Bundeshaus besucht hatte, ist «persönlich sehr enttäuscht – und überrascht». Vom Übertritt habe er aus den Medien erfahren.
Frustrierend sei der Austritt aber vor allem für die Mitglieder der SP Winterthur, die für ihre Chantal über die Jahre Tausende von Flyern verteilt hätten. «Eben erst haben wir uns für Chantal engagiert, damit sie in ihr Amt als Schulpräsidentin gewählt wird.»
Aber auch die SP Winterthur bekommt ihr Fett ab. Raphael Perroulaz aus der FDP lästert auf Facebook: «Die SP vergisst, dass sie auch stark von Galladé profitiert hat. Mich lässt der Eindruck einer ideologischen Sekte nicht los.»
Zweifel an Nutzen für GLP
Chantal Galladé selber behauptet im TA-Interview zwar, sie hätte es als Schulpräsidentin auch ohne SP-Unterstützung geschafft. In der Partei sieht man das aber anders. Andere Parteimitglieder hätten zugunsten von Galladé verzichtet, und bei einer Kampfwahl gegen die SP hätte es Galladé schon gar nicht auf den offiziellen Wahlvorschlag geschafft. Co-Präsident Steger bezweifelt, ob der Wechsel der GLP nützt. «Viele Wählerinnen und Wähler goutieren solche Parteiwechsel nicht.»
Während viele grosse Namen in der SP – von den amtierenden Regierungsräten bis zu früheren Parteipräsidenten – sich nicht öffentlich äussern wollen, nimmt die frühere SP-Generalsekretärin und -Kantonsrätin Regula Götsch kein Blatt vor den Mund. «Kotz», kommentierte sie spätnachts auf Facebook den Parteiwechsel. Es sei «himmeltraurig», was Galladé da abziehe, «eine Veräppelung aller Leute, die in Wahlkämpfen für sie gearbeitet haben», sagt Götsch auf Nachfrage. Galladé habe viele Jahre «gut gelebt von der Arbeit der Partei, und nun staubt sie am Schluss noch den Schulpräsidenten-Job ab.»
Fadenscheiniges Argument
Deutlich wird auch Matthias Erzinger, SP-Vorstandsmitglied der SP Töss, die sich speziell für Galladés Schulpräsidentenwahl engagiert hatte. «Wir sind in den Gesprächen mit Chantal davon ausgegangen, dass sie in der Partei bleibt und nach ihrer Nationalratszeit wieder enger mit der Ortspartei zusammenarbeitet. Durch den Parteiwechsel fühlen wir uns hintergangen und können der neuen Schulpräsidentin nicht einfach vertrauen.» Gemäss Erzinger sei Galladé in der SP nie aufgefallen mit ihrem Engagement in der Europapolitik. Nun ist der Rahmenvertrag mit der EU offenbar das Hauptargument für den Wechsel zur GLP.
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