Herr Bulletti spielt auf Risiko
Hat er den Spionageskandal ins Rollen gebracht? Carlo Bulletti, Staatsanwalt des Bundes gilt als risikofreudiger Ermittler, als Haudrauf.

Es gibt verschiedene Arten, eine Operation des Geheimdienstes auffliegen zu lassen. Ein falsches Wort zur falschen Zeit, ein abgehörtes Telefonat, eine abgefangene E-Mail, etwas Druck an der richtigen Stelle. Man kann der gegnerischen Spionageabwehr diese Mühe allerdings auch ersparen – und ihr sämtliche Verfahrensakten ungeschwärzt bequem per Einschreiben auf einem USB-Stick zukommen lassen.
So hat es die Schweizer Bundesanwaltschaft getan, zumindest indirekt, und damit jene Affäre ausgelöst, die seit gut zwei Wochen Politik und Medien in der Schweiz und Deutschland beschäftigt. Absender der Verfahrensakten über die Aktivitäten von Datenspion Daniel M. war Carlo Bulletti (56), leitender Staatsanwalt des Bundes und in seiner Behörde zuständig für Staatsschutz, Terrorismus und die Bekämpfung krimineller Organisationen.
Je klarer die Konturen des Spionagefalls werden, desto deutlicher wird auch die Rolle von Bulletti. Er war es, der im März 2012 die Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder unterzeichnete. Damit brachte er den Fall ins Rollen – und setzte gleich zu Beginn auch den Ton. «Unsere beiden bisherigen (. . .) Rechtshilfeersuchen seitens Ihrer Behörde blieben leider bis anhin unbeantwortet», leitete der perfekt dreisprachige Bulletti sein Schreiben an die deutschen Kollegen ein, «was aufgrund der gegenseitigen Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland doch sehr erstaunt und äusserst verwunderlich ist.» Die Formulierung und die Haftbefehle haben in Deutschland dem Vernehmen nach eher nicht zur Entspannung der Situation beigetragen.
Feind Parmelin
Die dokumentierten Fehler von Bulletti und der Bundesstaatsanwaltschaft beeinflussen nun auch die politische Wertung der Affäre. Laut Informationen der «Weltwoche» hat Verteidigungsminister Guy Parmelin seinen Bundesratskollegen diese Woche eine als geheim klassifizierte Notiz vorgelegt, in der sich die Kritik vorab an die Adresse der Bundesanwaltschaft richtet. Die Behörde werde sich gegenüber dem Bundesrat erklären müssen, weshalb sie den deutschen Behörden Informationen zum Einsatz von Daniel M. übermittelt habe.
Bildstrecke - Die Hauptfiguren im Fall Daniel M.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Carlo Bulletti, der seit 2001 bei der Bundesanwaltschaft beschäftigt ist, für seine Entscheidungen rechtfertigen muss. Er gilt als risikofreudiger Ermittler, als Haudrauf, der auch nach Jahren in der Verwaltung noch nicht geistig verbeamtet sei. «Mit ihm würde ich in den Krieg ziehen», sagt ein Bekannter von ihm.
Etliche Bankdatendiebe dank ihm verurteilt
Carlo Bullettis Art hat ihm in seinem Berufsfeld, das nicht eben unterkomplex ist, schon einige Erfolge eingebracht. Er hat erfolgreich die Anklage beim Geheimdienst-Datendieb vertreten, der in seinem Rucksack Festplatten voller heikler Daten aus der Zentrale des Nachrichtendienstes gestohlen hatte – und es ist auch Bulletti zu verdanken, dass die Schweiz in den vergangenen Jahren etliche Bankdatendiebe rechtskräftig verurteilt hat.
Auf der anderen Seite der Bilanz von Bulletti, der für den «Tages-Anzeiger» nicht zu sprechen war, stehen all jene Fälle, bei denen der Ermittler in die öffentliche Kritik geriet.
Es war Bulletti, der die Schweizer Ermittlungen rund um die Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden verhindert hatte. Snowden war als Mitarbeiter der CIA in Genf angestellt gewesen und hatte aufgezeigt, dass die USA auf Schweizer Boden illegale Überwachungen durchgeführt hatten (und es wohl noch immer tun).
Für mangelhafte Anklageschriften gerügt
In mehreren Prozessen der Vergangenheit – etwa im «Hiflyer-Prozess» um einen tödlichen Unfall mit einem Fesselballon im Verkehrshaus Luzern oder einem Prozess um den Verkauf von Suva-Immobilien unter Wert – wurde Bulletti für seine mangelhaften Anklageschriften gerügt.
Im Prozess um ein abgestürztes Crossair-Flugzeug von 2008 gegen André Dosé und Moritz Suter wurden sämtliche Anklagepunkte durch das Bundesstrafgericht zerzaust und Dosé und Suter freigesprochen. Danach erhielt Bulletti Besuch von der Politik. Die damalige SP-Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi präsidierte die Aufsichtskommission über die Bundesanwaltschaft und sagte der «Zentralschweiz am Sonntag»: «Wenn die Bundesanwaltschaft Anklageschriften einreicht, bei denen man das Gefühl hat, sie seien nicht seriös, dann ist das ein Problem.»
Das Hanffeld eines Angeklagten zerstören lassen
All diese öffentliche Kritik war immer auch ein Echo auf die Vergangenheit Bullettis als Untersuchungsrichter im Kanton Freiburg. Der emeritierte Rechtsprofessor Franz Riklin widmete in seinem Buch «Von der Aufklärung verschont» den Verfehlungen von Bulletti einigen Platz. Bulletti liess Fälle liegen, verhielt sich erratisch gegenüber Angeklagten und liess einmal das Hanffeld eines Angeklagten zerstören. Dafür wurde er vom Bundesgericht gemassregelt. «Jemand mit solcher Vorgeschichte darf nicht auf diesem Posten tätig sein», schrieb Riklin laut «Zentralschweiz am Sonntag» der damaligen Justizministerin Ruth Metzler bei der Ernennung Bullettis zum leitenden Staatsanwalt des Bundes.
Genützt hat es nichts. Bulletti hat in den vergangenen Jahren sein Tätigkeitsgebiet sogar noch ausdehnen dürfen. Früher war er ausschliesslich für Belange des Staatsschutzes zuständig, heute ist er auch für Fälle im Bereich Terrorismus und internationale Kriminalität verantwortlich. Alles Themen, die per se ein gesundes Mass an Risiko beinhalten.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch