Hey, blickt doch mal zurück!
Finanzkrise? Libyen-Krise? FCZ-Krise? Nein. Was unsere Gesellschaft wirklich aufwühlt, das ist die Sinnkrise. Ausgelöst wird diese in acht-komma-neun von zehn Fällen durchs Thema Alter. Die Backfischchen haben Schübe, weil sie für Botellones und Pettings noch zu jung sind. Neo-Dreissiger irren, wie jüngst im «Magazin» zu lesen war, selbstbewusst, aber orientierungslos durch Räume und Zeiten. Für die Bürdeli und Sörgeli der Fortysomethings halten Buchhandlungen Lebenshilfe-Ratgeber und Apotheken gesunde, sprich natürliche, Aufputsch- und Abführmittel bereit.
Und jene wie Giulia, die gerade jetzt das halbe Jahrhundert vollmachen? Sie müssen angeblich besonders tief in den sauren Apfel beissen. Giulia? Ja Giulia, die Heldin des Spielfilms «Giulias Verschwinden», gedreht vom Zürcher Regisseur Christoph Schaub, basierend auf einem Drehbuch von Schriftsteller Martin Suter. Zugegeben, Giulia ist eine fiktive Filmfigur. Aber was sie denkt, denken viele. Weil der Mensch wegen des medizinischen Fortschritts immer älter wird, sind die Fünfzigjährigen - um es etwas frech zu formulieren - die neue Generation «Midlife-Crisis»; sie chlönen und stöhnen über Zukunftsängste und persönliche Apokalypsen, als gäbs kein Morgen mehr.
Eine kleine Tour d'Horizon
Wir finden: Das kann, darf, soll und muss nicht sein. Deshalb sagen wir aufmunternd: Hey, blickt doch einfach mal zurück! Lasst die letzten 50 Jahre Revue passieren - und erkennt, was für unvergessliche Momente ihr habt (oder hättet) miterleben können. Als Beweis haben wir eine winzige Tour d'Horizon durch Kulturereignisse und Innovationen im Zeitrahmen 1959 bis 2009 zusammengestellt.
Gehen wir gleich mal zurück auf Start - ins Geburtsjahr jener, die heuer 50 werden. War 1959 ein grosser Kulturjahrgang? Geht so. Ike und Tina Turner wurden zum Duett. Salvatore Quasimodo gewann den Literatur-Nobelpreis. Jazz-Ikone Billie Holiday starb in New York. Günter Grass publizierte den Roman «Die Blechtrommel». Doch dann gings Schlag auf Schlag. 1967 veröffentlichten die Beatles das legendäre Album «Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band», und die Stones rockten das Hallenstadion. Zwei Jahre später kam Woodstock, und auch die Fernsehwelt war zu jener Zeit dank Serien wie «Lassie», «Flipper», «Bonanza», «Pan Tau» oder «Mein Onkel vom Mars» noch im Lot. Irgendwann starben Jim Morrison und Kurt Cobain; Robbie Williams und Joy Gruttmann (die Interpretin von «Schnappi, das kleine Krokodil») kamen zur Welt; Christoph Marthaler wurde aus Zürich gejagt, Woody Allen floh aus New York, Matthias Hartmann ging freiwillig nach Wien, und Thomas Pynchon veröffentlicht seit 1963 alle sieben, acht oder neun Jahre einen Jahrhundertroman.
Corolla, Hummer und LCD
Der Toyota Corolla und der VW Golf, die bis dato meistverkauften Autos Europas, rollten 1966 beziehungsweise 1974 erstmals vom Förderband. Rund 30 Jahre später wurde der Hummer - gemeint ist das Auto, nicht die Delikatesse - zum zeitgeistigen Statussymbol. Der Dyson-Staubsauger revolutionierte das Wohnungsputzen, die Mondlandung wurde kürzlich 40 Jahre alt, aus dem Arpanet wurde 1982 das Internet und später das «Global Village», plötzlich kauften wir Musik im CD- und jetzt sogar im MP3-Format. Ab 2004 sagten die Werber nicht mehr telefonieren sondern «phonäggle», dann kam HD-TV und die Frage «Plasma- oder LCD?».
Neuerdings trinken wir Botanic Water, Cola zero und Caffè Latte Zero, dazu mampft man LC1-Joghurts und Slowfood-Käse - soll gesund sein. Gesund war auch Aerobic - damals, in den Eighties. Heute schwitzt man beim Power-Yoga oder Nordic Walking. Auch relevant: die M-Budget-Linie der Migros, die Geburt des Labels Max Havelaar, der Fine Food von Coop. Ach ja, nicht zu vergessen: An der Erfindermesse 2009 in Genf hat Werner Dutz aus Deutschland eine Buttermödeli-Maschine präsentiert.
Das wärs. Es ist ein Fragment, mehr nicht. Und doch irgendwie gigantisch. Wir hoffen, dass der Rückblick animiert, diese globalen Ereignisse um persönliche zu ergänzen - am besten bei einem guten Glas Rotwein. Und wenn man dann richtig happy ist, gehe man ins Kino und schaue sich «Giulias Verschwinden» an. Das kommt gut, ehrlich. «Giulias Verschwinden» läuft ab heute in den Kinos Arthouse Alba und Corso.
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