Hier betritt Berlusconi als Pfleger das Altersheim
Der ehemalige italienische Regierungschef hat in Mailand seinen Sozialdienst angetreten. Als der Milliardär kurz vor Dienstbeginn eintraf, kam es zu einer Protestaktion.
Normalerweise geht er keiner Kamera aus dem Weg, doch dieser Termin war ihm sichtlich unangenehm: Pünktlich hat der wegen Steuerbetrugs verurteilte frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi seinen Sozialdienst in einem Altenheim bei Mailand angetreten.
Entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten verschwand der 77-Jährige rasch und wortlos in dem Heim, wo er die nächsten zehn Monate lang Alzheimerpatienten betreuen wird. Wie bei früheren Staatsterminen fuhr der langjährige Regierungschef und Milliardär in dunkler Limousine vor dem katholischen Heim Sacra Famiglia in Cesano Boscone vor.
Gekleidet war er in einem dunkelblauen Anzug mit einem Anstecker seiner Partei Forza Italia am Revers – ganz so, als würde er an einer Kampagne für die anstehende Europawahl teilnehmen. Doch dann verschwand er so schnell in dem Gebäude, dass den rund hundert in einiger Distanz von ihm ferngehaltenen Journalisten keine Zeit blieb, ein Wort von ihm aufzuschnappen.
«Ins Gefängnis»
Umso ausführlicher interviewten sie deshalb einen Gewerkschafter mit schwarzem Clownshut, der es trotz aller Vorkehrungen hinter die Sicherheitsabsperrungen geschafft hatte und Berlusconi lauthals beschimpfte. «Ins Gefängnis» rief er und erklärte: «Alle italienischen Arbeiter haben einen Traum: Berlusconi in San Vittore» - der bekanntesten Haftanstalt von Mailand.
Der Ex-Regierungschef muss laut dem Urteil eines Mailänder Gerichts mindestens vier Stunden pro Woche Sozialdienst leisten. Der konservative Politiker und Medienzar war wegen Steuerbetrugs bei seinem Medienkonzern Mediaset zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Die Haft bleibt ihm wegen seines Alters erspart, mit der gemeinnützigen Arbeit entgeht er zudem den strikteren Auflagen eines Hausarrests.
Heimleitung duldet keinen Medienzirkus
Laut der Leitung des Altenheims soll Berlusconi zunächst im Morgenprogramm aushelfen. Er werde schrittweise eingearbeitet, damit seine Patienten und er sich aneinander gewöhnen können, sagte Pflegedienstleiter Massimo Restelli der Zeitung «Repubblica». Zu Berlusconis Aufgaben könne gehören, den Patienten beim Essen zu helfen, sagte Restelli weiter: «Das ist ganz schön heikel, denn manchmal muss man sie daran erinnern, dass sie gerade essen.»
Gleichzeitig machte die Heimleitung deutlich, dass sie keinen Medienzirkus dulden werde, ebensowenig wie eine Sonderbehandlung des langjährigen Ministerpräsidenten. Fotos und Kameras im Inneren des Gebäudes mit den Alzheimerpatienten sind verboten, auch das Personal hat strikte Anweisungen. Berlusconi erhielt ebenfalls genaue Verhaltensregeln - politische Aktivitäten oder Auftritte als Alleinunterhalter, wie er sie auf der politischen Bühne so perfekt beherrschte, wurden ihm untersagt.
«Riesige Überraschung»
Aber natürlich wirbelt Berlusconis Auftritt als Ehrenamtlicher allen Vorkehrungen zum Trotz die Heim-Routine durcheinander. Helfer berichten, dass sich aussergewöhnlich viele Verwandte von Alzheimer-Patienten ausgerechnet heute zum Besuch angemeldet hatten. Zudem wollten sich ungewöhnlich viele Mitarbeiter aus anderen Abteilungen in den Alzheimer-Trakt versetzen lassen.
Berlusconi liess es sich nicht nehmen, den Sozialdienst zu seinen Gunsten umzuinterpretieren. Er plane eine «riesige Überraschung» kündigte der 77-Jährige vor zwei Tagen im Radio an. Er liess durchblicken, dass diese mit einem grösseren Engagement für die Opfer der Alzheimerkrankheit zusammenhängen könnte. So habe er in nur zehn Tagen alles über die verschiedenen Therapien gelernt, die bei Alzheimer und Demenz angewendet werden.
Er sei eigentlich ganz zufrieden mit seiner neuen Tätigkeit, sagte der für seine ausschweifenden Partys bekannte Milliardär: «Denn in meinem Leben habe ich immer gerne Menschen geholfen. Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Hingabe der Menschen, die mit den Alzheimer-Patienten arbeiten», sagte der 77-Jährige am Freitag dem TV-Sender Telelombardia. «Die Stunden, die ich dort verbracht habe, waren sehr intensiv.»
sda/AFP/thu/chk
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