Hier taugt die EU nicht als Vorbild
Im Kampf gegen Pestizide setzt der Bund auf einen Aktionsplan – ein Instrument, das auch die EU-Staaten anwenden, jedoch nur halbbatzig. Für die Schweiz vermeldet der Bund erste Erfolge.

Die Zeichen stehen auf Niederlage. Die Mitte-links-Allianz wird am Mittwoch und Donnerstag im Nationalrat ziemlich sicher keine Mehrheit für einen Gegenvorschlag zu den beiden Volksinitiativen zusammenbringen, die sich gegen den Einsatz von Pestiziden richten.
Der Grund für die schlechten Chancen für den Gegenvorschlag ist eine Kehrtwende der FDP. Noch in der vorberatenden Wirtschaftskommission hatten sich die Freisinnigen an der Seite von SP, Grünen und Grünliberalen geschlossen für einen Gegenvorschlag eingesetzt, doch nun spricht sich die Fraktion mehrheitlich dagegen aus, wie die NZZ berichtet hat. Damit fehlen wohl die entscheidenden Stimmen, die zusammen mit Abweichlern aus der CVP und Teilen der BDP für eine Überraschung hätten sorgen können.
Der Nationalrat dürfte sich nun also dem Bundesrat und dem Bauernverband anschliessen. Sie alle versichern, die anhaltende Pestizidbelastung in Gewässern und Böden ernst zu nehmen. Lösen wollen sie das Problem mit dem Aktionsplan, den der Bundesrat im Herbst 2017 erlassen hat.
Doch dieses Instrument taugt nicht wie gewünscht, zumindest in der EU nicht, wie ein Bericht der EU-Kommission zeigt. Zwar haben alle 28 Mitgliedsstaaten inzwischen einen Aktionsplan zur Pestizidreduktion erlassen, indes oft mit grosser Verspätung, wie die Kommission bereits 2017 monierte. Auch enthielten die meisten dieser Pläne keine Ziele und Zeitpläne für Massnahmen zum Schutz der Gewässer, bilanziert die Kommission weiter. Ebenso fehlten in vier von fünf Fällen Angaben, «wie die Zielerreichung gemessen werden soll» – für Kritiker im EU-Parlament der Beweis, dass die Aktionspläne Papiertiger sind.
Minus 30 Prozent
Gilt das auch für die Schweiz? Die Agrarexperten im Departement von Bundesrat Guy Parmelin (SVP) warnen vor Fehlschlüssen. Der Schweizer Aktionsplan definiere klar messbare Ziele, insbesondere auch für den Schutz der Gewässer; auch lege er fest, wie die Zielerreichung überprüft werden solle, hält das Bundesamt für Landwirtschaft fest. In der Tat enthält der Schweizer Aktionsplan konkrete Vorgaben. So etwa will der Bundesrat den Gebrauch von Pestiziden mit besonderem Risikopotenzial bis 2027 um 30 Prozent gegenüber der Periode 2012 bis 2015 senken.
Die Gegner indes taxieren den Aktionsplan als zu wenig verbindlich. Im Nationalrat werden sie daher beantragen, das Geschäft in die vorberatende Kommission zurückzuweisen mit dem Ziel, einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten, dies auf Basis des Aktionsplans. Die Massnahmen sollen jedoch Eingang ins Gesetz finden – und damit verbindlich werden.
«Die Schweiz steht im Kampf gegen die gefährlichen Pestizide erst am Anfang.»
Wie weit gediehen der Aktionsplan seit seiner Verabschiedung vor bald zwei Jahren ist, zeigt ein aktueller Bericht, den das Bundesamt für Landwirtschaft verfasst hat. Etwa ein Viertel der rund 50 Massnahmen sei eingeführt worden, heisst es im Bericht, der dieser Zeitung vorliegt. Dazu zählt etwa, dass Landwirte Beiträge für den Verzicht auf Herbizide erhalten oder der Bau von Waschplätzen gefördert wird. «Die Umsetzung des Aktionsplans ist gut angelaufen», ergänzt das Bundesamt auf Nachfrage. Die nächste Herausforderung sei, diese Massnahmen in der Praxis «möglichst breit umzusetzen».
Erste Erfolge haben sich laut dem Bundesamt eingestellt. So sind die Bauern im letzten Jahr bei 14 Prozent der Obst- und Rebflächen ohne Herbizideinsatz ausgekommen, was gegenüber 2017 einer Verdoppelung entspricht. Auch beim offenen Ackerland verzichten die Bauern mehr auf Insektizide und Fungizide. 55 Prozent der Fläche bewirtschaften sie auf diese Weise, ein Plus von 1 Prozentpunkt gegenüber 2017.
Aktionsplan genügt nicht
Zufrieden zeigt sich auch der Präsident des Bauernverbands, CVP-Nationalrat Markus Ritter: «Wir sind im Zeitplan.» Als gelungenes Beispiel nennt er das Ziel, 56 kritische Wirkstoffe vom Markt zu nehmen. Allein dieses Jahr hätten die Behörden schon 25 verboten.
Grünen-Präsidentin Regula Rytz dagegen ist erstaunt darüber, «dass der Kampf gegen die gefährlichen Pestizide in der Schweiz erst am Anfang steht». So seien im Aktionsplan beispielsweise viele Indikatoren erst in Entwicklung.
In der Tat zeigt der Bericht des Bundesamtes für Landwirtschaft diverse Massnahmen, die den Status «in Erarbeitung» tragen. Bis 2021 etwa soll klar sein, welche Pestizide für das Grundwasser, das als Trinkwasser genutzt wird, die grössten Risiken darstellen. «Anschliessend werden mögliche Schutzmassnahmen evaluiert», heisst es im Bericht.
Rytz ist das zu vage: «Der Aktionsplan genügt nicht und wird nicht schnell genug Wirkung entfalten.» Bauernpräsident Ritter entgegnet, es bestehe eine ausreichende Verfassungs- und Gesetzesgrundlage, um die Ziele des Aktionsplans zu erreichen.
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