Hightech statt Heavy Metal
Autonom, vernetzt, immer online und mit alternativem Antrieb. An der Elektronikmesse in Las Vegas zelebriert die Automobilindustrie die Zukunft des Autos.

Teleportation und den Ritt mit der Zeitmaschine kann man sich sparen: Wer heute wissen will, wie die Welt von morgen tickt, der muss in diesen Tagen nur nach Las Vegas reisen. Denn dort an der Consumer Electronics Show (CES) zeigt die mittlerweile vielleicht wichtigste Industrie der Welt, wohin die Reise geht. Und dabei dreht es sich im Convention Center in Nevadas Wüste längst nicht mehr nur um riesige Flatscreens und innovative Smartphones – denn weil sich das Auto bei der Fahrt über die Datenautobahn längst zum ultimativen «Mobile Device» auf Rädern entwickelt hat, steht der Elektronikgipfel längst dick angestrichen im Kalender der PS-Branche.
Und zwar so dick, dass die wichtigsten Neuerungen im Bereich der alternativen Antriebe bereits eine Woche vor der traditionellen North American International Auto Show in Detroit enthüllt werden. Denn statt mit Heavy Metal und Hubraum wollen sich die Hersteller in Las Vegas mit viel Hightech einen modernen Anstrich geben und einmal mehr beweisen, dass sie sich die Deutungshoheit über die Zukunft des Automobils nicht von der Hightechbranche aus dem Silicon Valley abnehmen lassen.
«Hey Mercedes» schlägt Alexa
Ihre Themen sind dabei allerdings die gleichen wie bei fast allen anderen Ausstellern: Es geht vor allem um Vernetzung und um eine möglichst einfache Bedienung. Bestes Beispiel dafür ist die neue User Experience von Mercedes, die in der nächsten Generation der A-Klasse an den Start geht und dem Smartphone näher kommt als je zuvor. Künftig gibt es bei den Stuttgartern nicht nur den überfälligen Touchscreen mit den schnellsten und besten Grafikprozessoren der Autowelt im Cockpit und die Onlinekarten von Here. Sondern sie führen mit dem Startkommando «Hey Mercedes» auch eine Sprachsteuerung ein, gegen die Siri und Alexa bei ersten Versuchen seltsam schüchtern und schweigsam wirken.
Der zweite grosse Themenkomplex ist das autonome Fahren, das in Vegas längst keine ferne Vision mehr ist. Während draussen vor den Toren des Convention Center Dutzende führerlose Prototypen ihre Runden drehen, überbieten sich drinnen die Hersteller mit der Sehschärfe ihrer Sensoren und der Rechenleistung ihrer Prozessoren und schwärmen davon, wie sie auch schwierigste Aufgaben autonom meistern – vom autonomen Pizza-Lieferdienst bei Ford bis zur S-Klasse bei Mercedes-Benz, die im Rahmen des Intelligent World Drive einmal mit dem Autopiloten rund um die Welt gefahren ist.
Moderne Autos mit Verbrenner passen nicht ins Bild. Deshalb stehen hier alle Autos irgendwie unter Strom.
Dass derart moderne Autos noch mit Verbrennermotoren fahren, passt so gar nicht ins Bild. Deshalb stehen die Autos an der CES alle irgendwie unter Strom, selbst der Supersportwagen Project One, den Mercedes mit auf den Stand gerückt hat, kann schliesslich ein paar seiner über 1000 PS auch aus dem Akku beisteuern. Daneben gibt es aber sehr viel greifbarere Modelle wie den vollelektrischen Niro von Kia oder die zweite Generation der Brennstoffzelle bei Hyundai, die im Nexo (Next Generation Fuell Cell Vehicle) verbaut wurde und dem attraktiven SUV zu einer Reichweite von rund 600 Kilometern verhilft. Auch die Leistung des Nexo wurde von 136 auf 163 PS erhöht und verspricht nun deutlich mehr elektrischen Fahrspass. Läuft alles nach Plan, könnte der Neuling noch 2018 auf die Schweizer Strassen rollen.
Doch auch diesen Match machen die bekannten Grössen längst nicht mehr unter sich aus, auf der CES stossen ein paar weitere Wettbewerber hinzu. Ob aus dem G3 des chinesischen No-Name-Herstellers XPeng je etwas werden wird, kann man bezweifeln. Schliesslich gibt es über den SUV weder technische Daten noch sonst irgendwelche Informationen. Doch zumindest Byton sollte man auf dem Zettel haben.
Toyota setzt auf vollautonom
Ebenfalls sehr realistisch wirkt der Auftritt von Toyota mit dem vollelek-trischen E-Palette. Und, nomen est omen: Der Name ist tatsächlich Programm, und die Japaner wollen mit der kastenförmigen Studie vollautonom und flexibel die unterschiedlichsten Bedürfnisse der zukünftigen Mobilität erfüllen. Wo andere fantasieren, verspricht Toyota erste Tests, unter anderem bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio.
Autonom, vernetzt, immer online, so einfach zu bedienen wie nie und natürlich mindestens mit Akkus, wenn nicht gar mit Brennstoffzelle: Mit der Vorstellung, wie wir sie heute noch vom Auto haben, haben die Exponate an der CES nicht viel zu tun. Und auch wenn uns die Aussteller weismachen wollen, dass diese Zukunftsvision aus der Glitzermetropole näher ist, als man denkt, macht die PS-Branche jetzt erst einmal den Reality Check – und der Zirkus zieht ein paar Tausend Meilen weiter nach Detroit. Das liegt nicht nur ein paar Tausend Meilen weiter im Nordosten, sondern vor allem ganz im Hier und Heute, mit weniger Hightech und mehr Heavy Metal.
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