Hilfe, suche Partner für Jobsharing!
Anspruchsvoll, befriedigend und sogar in Chefposition: Sie suchen einen Partner für Ihre Stelle? Dann rein ins Speed-Networking.

7 Minuten können rasen wie 7 Sekunden. Oder in Zeitlupe vergehen wie 7 Stunden. Bei den beiden Frauen, die sich an diesem Montagabend in einer Bar im Zürcher Kreis 1 gegenübersitzen, scheint Letzteres der Fall zu sein. Die eine ist Sozialpädagogin, die andere arbeitet als Personalentwicklerin im Human Resources (HR). Speed-Networking heisst der Anlass – in Anlehnung ans Speed-Dating, weil auch hier wenige Minuten reichen müssen, um den anderen von sich selbst zu überzeugen. Allerdings suchen die Frauen an diesem Frühlingsabend keinen Partner fürs Leben, sondern fürs Büro. Viele von ihnen haben Familie und wollen Teilzeit arbeiten, aber trotzdem einen anspruchsvollen Job machen können. Andere wollen eine Führungsposition übernehmen, aber nicht allein. Also könnte Jobsharing die Lösung sein – das ist jenes Modell, bei dem sich zwei oder mehr Leute eine Arbeitsstelle teilen.
Die beiden Mittdreissigerinnen kommen nicht miteinander ins Geschäft, das wird beim Mithören schnell klar. Zu unterschiedlich sind ihre Branchen. Dennoch geben sich beide Mühe. «Bei uns geht es auch darum, Menschen einzuschätzen», meint die HR-Expertin. Da könne ein sozialer Hintergrund nicht schaden. «HR, ja, vielleicht wäre das was ...», sagt die Pädagogin. Begeisterung klingt anders.
Die 7 Minuten sind um. Bevor die Frauen die Plätze wechseln, schieben sie sich ihre Kärtchen zu. «Vielen Dank, viel Glück weiterhin» steht drauf. Oder, wenn sie die andere wieder treffen wollen, der eigene Kontakt. Dann greifen sie sich ihre Unterlagen und ihr Getränk, rutschen von den Barstühlen und setzen sich zur nächsten Kandidatin. Zehn Frauen sind es an diesem Abend, kein einziger Mann ist dabei.
Warten auf den Durchbruch
Das sei eine Ausnahme, sagt Organisatorin Sara Müller. Dennoch kann man es nur symptomatisch lesen. Weil die Frauen noch immer den Grossteil der Erziehungsarbeit leisten, ist Jobsharing für sie eher ein Thema. Und zwar schon lange. 1985 erschien in der «Basler Zeitung» ein Artikel, der die geteilte Stelle als Chance für Eltern anpries, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. «Viele Frauen möchten auf diese Art arbeiten und in ihren erlernten Beruf wiedereinsteigen. Jobsharing-Stellen sind jedoch rar», las man damals.
Seither hat dieses Arbeitsmodell zugelegt. Die letzte Studie stammt von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Sie fand 2014 heraus, dass 27 Prozent der Schweizer Arbeitgeber das Modell anwenden. 1999 waren es rund 20 Prozent. Laut Sara Müller ist das Wachstum sogar noch grösser. Sie ist Mutter einer kleinen Tochter, arbeitete lange als Risikomanagerin bei einer Grossbank und hat letztes Jahr eine Firma gegründet. Mit der Jobsharing-Consulting MS AG berät sie nun Unternehmen, HR-Verantwortliche oder Einzelpersonen und bringt Interessierte zusammen. Einerseits über Inserate auf ihrer Website, andererseits über Speed-Networking. Auch einen Ratgeber zum Thema hat sie verfasst.
Frauen teilen sich den Job viel häufiger als Männer


Viele Angestellte arbeiteten schon im Jobsharing, sagt sie, ohne es zu wissen. «Zwei Geschäftsleiter, die sich die Chefposition teilen, die Co-Leitung von Teams, die gemeinsame Führung eines KMU: Das ist alles Jobsharing, auch wenn es nicht so bezeichnet wird.» Trotzdem: Den Durchbruch hat das Modell laut Müller bislang nicht geschafft. Das liege einerseits an den fehlenden Möglichkeiten für die Angestellten, sich miteinander zu vernetzen – ein Mangel, den sie überwinden will. «Andererseits sind in vielen Unternehmen noch Vorurteile verbreitet. Etwa, dass Jobsharing mehr Aufwand mit sich bringe oder zu Chaos führe.» Beides sei falsch, sagt Müller. «Die Einarbeitungsphase ist sicher anspruchsvoller. Aber danach profitiert die Firma, weil zwei motivierte Angestellte an derselben Aufgabe arbeiten, Ideen einbringen und gemäss neusten Studien 15 Prozent produktiver sind als eine.»
Auch die FHNW-Studie bestätigt diese Einschätzung. 69 Prozent der befragten Firmen mit Jobsharing auf den oberen Hierarchiestufen sagen, dass sie von der doppelten Kompetenz profitierten. Und 50 Prozent geben an, dass sich die Arbeitszufriedenheit der Angestellten erhöht habe. 43 Prozent sagen allerdings auch, dass die Kosten für die gegenseitige Information höher seien, und 40 Prozent berichten von einem grösseren Personalaufwand.
Die Axa-Winterthur kennt geteilte Stellen schon seit Jahren. Die Versicherung kommuniziert ihre Offenheit für neue Arbeitsmodelle intensiv. «Wir haben mit Jobsharing nur gute Erfahrungen gemacht», sagt die Axa-Diversity-Verantwortliche Yvonne Seitz. Aktuell wisse sie von zehn Tandems, die sich eine Stelle teilten. Viele sind das nicht. «Uns ist es wichtiger, Flexibilität als Ganzes zu fördern anstatt ein spezifisches Modell», sagt Seitz dazu. Jobsharing sei neben Teilzeitarbeit oder Homeoffice eine Option unter mehreren. Klar sei: «Die Alterung der Gesellschaft zwingt uns, neue Wege zu gehen.»
Das Kommen hat sich gelohnt
Auch bei der Swisscom gibt es Tandems im Management, bei Fachspezialisten und auf administrativer Ebene. «Die Vorteile überwiegen bei weitem den Koordinationsaufwand», sagt eine Sprecherin. Die Mitarbeitenden seien motivierter und fokussierter.
Zurück in die Zürcher Bar, wo Frauen nach einer Jobpartnerin suchen. Die Personalentwicklerin ist am Ende des Abends zufrieden, auch wenn sie die Sozialarbeiterin kaum wieder treffen wird. Sie hat unter anderen noch mit einer IT-Expertin, einer Marketingplanerin, einer Beraterin und einer Buchhalterin geredet. Mit mehreren Frauen wolle sie in Kontakt bleiben, sagt sie. Und auch wenn sich daraus nichts Konkretes ergebe, habe sich das Kommen gelohnt. «Nur schon, um mit anderen Menschen zu sprechen, die in einer ähnlichen Lage sind.» In einer ähnlichen Lage, das heisst in ihrem Fall: Frau mit kleinem Kind will im Beruf weiterkommen. Wer das schaffen will, muss offenbar immer noch zu unkonventionellen Methoden greifen.
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