Geldberater: Der Marktschrei(b)erHochbetrieb in Spinnereien lässt Rieter jubeln
Implenia arbeitet auf wackligem Grund +++ Pierer Mobility gibt Gas +++ UBS ist im Zwischenspurt +++ Landis+Gyr wird endlich richtig smart.

Rieter: Kaufen
Die Aktien von Rieter sind nichts für Witwen und Waisen. Die Investitionsbereitschaft der Kunden schwankt erheblich. Das Auf und Ab von Auftragseingang und Umsatz des Winterthurer Textilmaschinenherstellers kann heftig sein. Das zeigt ein Blick auf die vergangenen Monate. Mitte April rechnete das Unternehmen mit Bestellungen im Wert von 500 Millionen Franken für das erste Semester. Nun sind es 975 Millionen Franken geworden. Die Spinnereien sind wieder sehr gut ausgelastet. Auch höhere Preise für Baumwolle sorgen für gute Stimmung. Das Unternehmen wird dieses Jahr einen deutlich höheren Umsatz verbuchen und schwarze Zahlen schreiben. In den beiden Vorjahren waren die Einnahmen 29 Prozent und dann weitere 25 Prozent geschrumpft. Für 2020 wies Rieter einen Verlust aus. Die Auftragshausse signalisiert für 2022 einen Umsatz von über 1 Milliarde Franken – was seit 2015 nicht mehr vorgekommen ist. Zwar hat der Aktienkurs einiges vorweggenommen, doch risikobewusste und agile Investoren können einen Einstieg wagen. Kaufen
Implenia: Verkaufen
In etwas mehr als einem Monat legt der von Problemen gebeutelte Baukonzern Implenia Halbjahreszahlen vor. Der Aktienkurs bewegt sich im Trend abwärts. Ich teile die Skepsis der Börse. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Unternehmen die strukturellen Probleme schon so weit in den Griff bekommen hat, dass ein Wechsel auf Wachstum möglich ist. Derartige Prozesse brauchen in der Regel mehr Zeit und kosten mehr als erwartet. Zudem sieht sich das Unternehmen an der Rohstofffront mit Verknappungen und Preissteigerungen konfrontiert – der Druck auf die Margen bleibt hoch. Das Unternehmen hat nicht alle Zeit der Welt. Die gefährlich niedrige Eigenkapitalquote von 10 Prozent zwingt Implenia zum Erfolg. Einziger Lichtblick ist der hohe Auftragsbestand von 6,4 Milliarden Franken (per Ende 2020) – seine Qualität kann ich allerdings nicht beurteilen. Das Management ist den Beweis, das Unternehmen erfolgreich durch die Krise zu führen, bislang schuldig geblieben. Verkaufen
Pierer Mobility: Dosiert kaufen
Der Name Pierer Mobility ist unter Anlegern noch nicht breit bekannt. Anders sieht es mit den Produkten aus: Die österreichische Gruppe mit Hauptbörse Schweiz stellt Motorräder – unter anderem die Marke KTM – sowie Elektrofahrräder her. Sie sieht sich als Europas führende Anbieterin motorisierter Zweiräder. Das Geschäft boomt. Die Absatzzahlen des Halbjahrs setzen ein dickes Ausrufezeichen. Der Motorradverkauf hat sich fast verdoppelt, der Fahrradabsatz ist ein Viertel gestiegen. Der Personalbestand muss weiter erhöht werden. Motorräder und E-Bikes sind gefragt – auch dank der Pandemie, aber nicht nur. Zweiradmobilität ist ein Trend. Auch mich begeistert immer wieder von neuem, wie ein E-Bike Steigungen bewältigt. Pierer Mobility macht einen ausgezeichneten Job. Der Leistungsausweis beeindruckt. Für 2021 werden ein rekordhoher Umsatz von 1,8 bis 1,9 Milliarden Euro und eine operative Marge von 8 bis 9 Prozent erwartet. Die Aktien sind nicht günstig, bleiben aber reizvoll. Dosiert kaufen
UBS: Halten
Für die UBS läuft es rund. Die grösste Bank der Schweiz dürfte übernächste Woche gute Zahlen für das zweite Quartal präsentieren. Operativ ist sie robust, dank Hochstimmung an den Finanzmärkten. Im Investmentbanking profitiert die UBS davon, dass es viele lukrative Börsengänge gibt. In der Paradedisziplin, der globalen Vermögensverwaltung, könnten sich die Gebühren, welche die UBS prozentual auf die Kundengelder erhebt, ausgezeichnet entwickelt haben. Börsenhochs wirken sich direkt positiv auf die angelegten, rekordhohen Vermögen der Bank aus. Auch in der institutionellen Vermögensverwaltung, dem Asset-Management, wird sich der Effekt zeigen, und die Neugeldzuflüsse dürften ebenfalls weiter erfreulich sein. Gegenüber der Konkurrentin Credit Suisse, die immer noch an ihren Debakeln um den Kollaps des Hedgefonds-Kunden Archegos und der Fondsgesellschaft Greensill laboriert, sind die UBS-Aktien klar zu bevorzugen. Sollte sich das Umfeld indessen normalisieren, wird die Bank es schwerer haben, Wert für ihre Aktionäre zu schaffen. Die Titel werden dann wie zuvor kämpfen müssen, um mit dem breiten Markt mithalten zu können. Halten
Landis+Gyr: Kaufen
Landis+Gyr vermarktet seit Jahren sogenannte Smart Meter. Beim Blick in den Keller blieb allerdings schleierhaft, was an dem kleinen grauen Gerät «smart» ist. Die Stromzähler sollen es ermöglichen, Energienachfrage und -angebot aufeinander abzustimmen: Scheint die Sonne, und bläst der Wind, lädt in der Garage das Elektroauto die Batterie. Ein Haken an diesem Anwendungsbeispiel war bis anhin, dass die Stromzähler die Daten mit 15 Minuten Verzögerung übermittelten. In einer Viertelstunde haben wir diesen Sommer in der Schweiz etwa zweimal Starkregen, einmal Hagel und dazwischen 5 Minuten Sonnenschein. Da sind 15 Minuten Verzögerung eine halbe Ewigkeit im intelligenten Stromnetz. Landis+Gyr war technologisch in Rückstand. Doch nun hat das Unternehmen endlich Fortschritte gemacht. Ein neuer Stromzähler übermittelt die Daten in Sekundenschnelle – damit hat L+G in den USA endlich wieder Aufträge hereingeholt. Die wichtigste Sparte (Americas) wird sich erholen, weitere Aufträge sollen folgen. Anleger brauchen Geduld, aber sie dürfte sich lohnen. Kaufen
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung. Weitere Artikel der «Finanz und Wirtschaft» finden Sie unter www.fuw.ch
Fehler gefunden?Jetzt melden.