Höhere Hürde für DNA-Analysen
Polizei warnt: Die Aufklärungsquote von Straftaten wird sinken.

Morde, Vergewaltigungen, Raubüberfälle: Fast immer bei schweren Delikten greifen Polizei und Staatsanwalt bei den Ermittlungen auf eine DNA-Analyse zurück. Das Genmaterial liefert wichtige Indizien: wenn ein Verdächtiger am Tatort Hautschuppen hinterlässt. Oder wenn Blut an einer Tatwaffe klebt.
So hilfreich die Methode auch sein mag, die Kritik daran reisst nicht ab. Jetzt befasst sich sogar die Parlamentarische Verwaltungskontrolle auf Geheiss der Geschäftsprüfungskommission damit. Seit Anfang Jahr läuft eine Untersuchung – den Auftrag gefasst hat das Consultingbüro des Kriminologen Martin Killias. Bis 2019 soll sein Team statistisches Material zu den DNA-Analysen in Strafverfahren liefern. Zudem will die Verwaltungskontrolle wissen, nach welchen Kriterien die Methode angewandt wird und ob dies verhältnismässig ist. Denn es handelt sich um einen Grundrechtseingriff.
Der Verdacht der Bundeskontrolleure: DNA-Analysen würden von Polizei und Staatsanwaltschaften «faktisch routinemässig» und auch bei geringfügigen Delikten gemacht, heisst es im Jahresbericht. Zudem sei deren Zahl in den letzten Jahren «stark gestiegen».
Sieben rechtsmedizinische Institute sind zuständig
Die Annahmen treffen allerdings nicht zu, wie Zahlen des Bundesamts für Polizei (Fedpol) belegen. So werden zur Verbrechensbekämpfung nicht mehr, sondern immer weniger DNA-Analysen durchgeführt. 2014 speisten die Kantone fast 38'000 Genmaterialprofile in die nationale Datenbank des Fedpol ein. 2017 waren es rund 15 Prozent weniger.
Zuständig für die DNA-Auswertungen bei Straftaten sind sieben vom Bund bestimmte rechtsmedizinische Institute, die sich die Fälle regional aufteilen. Fast alle Institute verzeichnen einen Rückgang, besonders drastisch ist er beim rechtsmedizinischen Institut in Bern: Von 2014 bis 2017 ist die Zahl der Analysen um fast ein Viertel eingebrochen.
«DNA-Spuren sind wichtige Ermittlungsansätze, und sie tragen oft gerade bei Serieneinbrüchen zur Aufklärung bei.»
Als Grund nennt Christoph Gnägi, Sprecher der Kantonspolizei Bern, ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2014. Nach der Umsetzung der neuen Rechtsprechung sei es zu einer «schlagartigen Abnahme der Anzahl DNA-Auswertungen» gekommen, sagt er. Vor allem habe das Bundesgericht die Hürden erhöht für die Fälle, bei denen die Analyse nicht zur Klärung der Anlasstat nötig sei.
Eine Anlasstat ist jene Tat, bei der die DNA einen Teil zur Aufklärung beisteuern kann: Wenn zum Beispiel die Polizei einen mutmasslichen Einbrecher verhaftet, kann dessen DNA Rückschlüsse liefern, ob er am Tatort gewesen ist. Die Auswertung kann aber auch genutzt werden, um mögliche vergangene oder künftige Delikte aufzuklären. Für solche Fälle verlangt das Bundesgericht laut Polizeisprecher Gnägi «erhebliche und konkrete Anhaltspunkte, dass Betroffene in andere Delikte von gewisser Schwere verwickelt sein könnten». Davor reichte eine «gewisse Wahrscheinlichkeit».Gnägi warnt nun aber vor den Folgen dieser neuen Praxis. «Diese Entwicklung wird entsprechend auch eine Auswirkung auf die Aufklärungsquote von Straftaten in den nächsten Jahren haben. Denn DNA-Spuren sind wichtige Ermittlungsansätze, und sie tragen oft gerade bei Serieneinbrüchen zur Aufklärung bei.»
Kriminalitätsrate in der Schweiz ist rückläufig
Besonders gross ist mit fast einem Fünftel der Rückgang bei den DNA-Personenprofilen. Das sind die Profile von verdächtigen oder verurteilten Personen. Diese Auswertungen kommen in die Datenbank des Bundes, wo sie mit Genmaterial von Tatorten, den sogenannten Spurprofilen, abgeglichen werden. Stimmen zwei Profile überein, meldet das System einen Treffer. Das passierte 2016 fast 6000-mal. In mehr als der Hälfte der Fälle gewann die Polizei so Erkenntnisse über Einbrüche. Erfolge mit Genmaterial gibt es oft auch bei Diebstählen oder bei Sachbeschädigungen.
Rückläufig sind seit 2014 schweizweit aber auch die Spurprofile von Tatorten. Für Vincent Castella, Chefgenetiker am Universitätszentrum für Rechtsmedizin in Lausanne und Genf, ist klar, dass dies eine Folge der geringeren Kriminalität in der Schweiz ist.
Eva Scheurer, die Direktorin des rechtsmedizinischen Instituts Basel, sieht indessen einen weiteren Grund. Der Rückgang bei den Analysen könne auch «mit kleineren Budgets von Staatsanwaltschaft und Polizei» zu tun haben. «Wenn in einem Bereich die Aufträge zurückgehen, hängt dies, sofern die Anzahl der entsprechenden Delikte gleich geblieben ist, meist mit fehlendem Geld zusammen.»
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