Hollandes erstes Opfer
Frankreichs sozialistischer Präsident hat sich eine «anständige» Lohnpolitik auf die Fahne geschrieben. Der Chef von Air France könnte Hollandes 1:20-Politik nun zu spüren bekommen – aber nicht nur er.

Der scheidende Air-France-Chef Pierre-Henri Gourgeon ist so etwas wie das erste Opfer der neuen sozialistischen Regierung in Frankreich: Industrieminister Arnaud Montebourg kündigte heute Mittwoch an, der Staat werde morgen an der Generalversammlung des Luftfahrtskonzerns gegen eine Abfindungssumme von 400'000 Euro (482'000 Franken) stimmen.
Gourgeon könnte damit zum Symbol werden für die neue Lohnpolitik unter Präsident François Hollande. Der Sozialist will nicht nur Boni beschränken, sondern künftig auch die Gehälter von Firmen mit öffentlichem Anteil drastisch nach unten schrauben. Sein eigenes Gehalt und das seiner Minister hatte Hollande bereits um 30 Prozent gekürzt.
Unanständiger Bonus
Gourgeon ist eine leichte Zielscheibe. Dem Manager wird vorgeworfen, das einst stolze Staatsunternehmen Air France/KLM in die roten Zahlen geführt zu haben. Nun muss die Firma in den kommenden drei Jahren zwei Milliarden Euro einsparen. Über einen möglichen Stellenabbau will sich Air France/KLM erst Ende Juni äussern, in der französischen Presse aber wird die Zahl von 5000 Arbeitsplätzen genannt.
«Der Bonus in dieser schweren Krisenzeit widerspricht dem Anstand, dem sich unsere Republik unter Hollande verpflichtet fühlt», sagte Montebourg. Allerdings hält der Staat nur noch 15 Prozent an Air France und wird deshalb ohne private Mitstreiter die Auszahlung an Gourgeon nicht verhindern können.
Die 1:20-Politik
Weitere Firmenchefs werden allerdings die neue «anständige» Lohnpolitik von Hollande zu spüren bekommen: Unternehmen, an denen der Staat zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist, sollen unter seiner Regierung an die Chefs nicht mehr als das Zwanzigfache des Mindestlohnes dulden. Firmenchefs dürften dann maximal 335'000 Euro (gut 400'000 Franken) pro Jahr verdienen. Dort, wo der Staat eine Minderheit hält, will er weitere Aktionäre vom Lohnlimit überzeugen.
Davon betroffen sind Manager der französischen Post, des Stromriesen Electricité de France (EDF) oder auch der Pariser Flughäfen. Ihre Vorstandsleute verdienen bislang das bis zu 300-fache des Mindestlohnes.
Hollandes Idee könnte auch die Gehälterdebatte in anderen EU-Ländern anheizen. Der französische Postchef Jean-Paul Bailly würde zum Beispiel nur noch knapp ein Zwanzigstel davon verdienen, was sein deutsches Pendant Frank Appel nach Hause trägt. Dieser bezog 2011 rund 5,2 Millionen Euro (knapp 6,3 Millionen Franken).
Mehr Moral für die Finanzwelt
Schon beim kommenden Ministertreffen in zwei Wochen solle das Dekret erlassen werden, kündigte Wirtschaftsminister Pierre Moscovici an. «Wir wollen jetzt und ab sofort die Finanzwelt moralischer machen», sagte er. Dazu gehöre ein vernünftiger Lohnunterschied in den Betrieben.
Der französische Arbeitgeberverband Medef hält sich bislang mit Kritik zurück. Medef-Präsidentin Laurence Parisot sagte sogar, sie finde es normal, dass der Staat in seinen Aufsichtsräten die Gehälter bestimme. Allerdings lehnt Parisot eine generelle Obergrenze ab. Den Bonus für Gourgeon hatte auch Parisot bemängelt.
Vergleichsweise moderate Löhne
Das Lohnniveau in den französischen Teppichetagen ist generell geringer als anderswo. Hundertprozentige Staatsunternehmen wie die Bahn SNCF haben schon länger vergleichsweise moderate Gehälter gezahlt. Grundsätzlich ist der Lohn aber höher, wenn der Staat nur eine Minderheit hält. So bezieht der Chef des Stromkonzerns EDF, Henri Proglio, 1,6 Millionen Euro (1,9 Millionen Franken) pro Jahr. Luc Oursel vom Atomkonzern Areva erhält bislang rund 680'000 Euro (819'000 Franken) jährlich. Bailly von der Post bezieht knapp 616'000 Euro (rund 740'000 Franken). Sie werden schon in diesem Jahr deutlich weniger verdienen.
Die Regierung Hollande will mit gutem Beispiel vorangehen: Der Staatspräsident und seine Minister kürzen ihr Gehalt kurz nach Amtsantritt um 30 Prozent. Böse Zungen sprechen von Symbolpolitik Hollandes vor den Parlamentswahlen von Mitte Juni.
dapd/ami
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