Film-Highlights der Woche«Holy Spider» erzählt von einer Mordserie im Iran
Neben dem Thriller startet auch die Game-Verfilmung «The Last of Us». Und das Filmpodium zeigt einen Nordpol-Western.

Holy Spider
Thriller von Ali Abbasi, DK/D/F/S 2022, 119 Min.
Der Film spielt in der heiligen Stadt Mashhad, es wird Persisch gesprochen. Und doch ist sofort klar, dass dies keine normale iranische Produktion sein kann. Zu Beginn betrachtet eine Frau ihren nackten Körper im Spiegel. Wenig später kommt noch ein erigiertes Glied ins Bild. Geht nicht im Iran, gedreht wurde in Jordanien.
In «Holy Spider» geht es um eine Mordserie an Prostituierten, die sich vor gut 20 Jahren tatsächlich zugetragen hat. Regisseur Ali Abbas war zu dieser Zeit Student in Teheran, und der Gedanke an den Verbrecher, der 16 Frauen tötete, liess ihn nie mehr los. Realisiert hat er allerdings keinen klassischen Serienmörderfilm. Ihm geht es vielmehr um das Motiv des Täters, dessen Identität schon früh enthüllt wird: Er ist ein religiöser Familienvater und Kriegsveteran. Seine Mission: die Strassen von der «Sünde» der Prostitution zu befreien.
Ali Abbasi verliess mit 20 Jahren seine alte Heimat, er liess sich in Schweden und später Dänemark zum Regisseur ausbilden, machte mit dem Horrorfilm «Gräns» (2018) auch international auf sich aufmerksam. In «Holy Spider» konfrontiert er eine Journalistin (hervorragend: Zar Amir Ebrahimi) mit dem Mörder, der von vielen als «Held» verehrt wird. Der Schrecken und die Gewalt in diesem Film weisen weit über das damalige Verbrechen hinaus und wirken als Kommentar zum realen Horror im heutigen Iran noch brisanter. (ml)
Riffraff
«Movie Fight Club»: Diskussion mit Filmkritikerinnen und -kritikern über «Holy Spider». Do 12.1., 20.40 Uhr, Riffraff
The Last of Us
Horrorserie von Craig Mazin und Neil Druckmann, USA 2023, 9 Folgen
Mit Gefühlen muss Joel (Pedro Pascal) niemand kommen. Er schlägt sich als Schmuggler in einer postapokalyptischen Welt durch, Gewalt gehört zum Alltag. Seine Emotionen sind seit dem Tod seiner Tochter tief in ihm verschüttet. Dann bekommt Joel einen besonderen Auftrag: Er soll eine 14-Jährige durch das versehrte Land begleiten und beschützen. Ellie (Bella Ramsey) ist frech, lustig, mutig und hat ein grosses Geheimnis.
«The Last of Us» ist ein Drama, das lange nachhallt. Wie weit darf man gehen, um seine Liebsten zu beschützen? Das ist die grosse Frage im Kern der Serie. Verpackt ist sie in die Geschichte zweier Figuren, die man schnell ins Herz schliesst. Vor allem die Engländerin Bella Ramsey (sie spielt Lyanna Mormont in «Game of Thrones») ist grossartig.
Die Serie basiert auf dem gleichnamigen Videospiel aus dem Jahr 2013 und ist die bisher gelungenste Adaption eines Games. Das liegt nicht nur daran, dass das Spiel selbst schon eine starke Story hat. Regisseur Craig Mazin («Chernobyl») und sein Co-Autor Neil Druckmann, Mitentwickler der Vorlage, haben die Actionszenen reduziert und dafür den Nebenfiguren eigene Geschichten gegeben. (abr)
Ab Mo 16.1. auf Sky Show
Before, Now & Then
Drama von Kamila Andini, RI 2022, 103 Min.
Regisseurin Kamila Andini («Yuni») hat eine Art Remix von «In the Mood for Love» gedreht: Die 60er-Jahre-Nostalgie, die Songklassiker und sogar einzelne Einstellungen zitieren den Wong-Kar-Wai-Film. Nur, dass bei Andini nicht Hongkong, sondern ein indonesischer Landsitz im Zentrum steht.
Die Geschichte dreht sich ebenfalls um eine Ehe in der Krise: Nana (Happy Salma), die aus ärmlichen Verhältnissen stammt und im Zweiten Weltkrieg vor den japanischen Truppen flüchten musste, hat nach dem Krieg einen reichen Mann geheiratet.
Wirklich glücklich ist sie nicht. Erst recht, als sie herausfindet, dass er eine jüngere Geliebte (Laura Basuki) hat. Wider Erwarten werden die beiden Frauen enge Freundinnen. Und Nana merkt mit der Zeit, dass sie durchaus nicht an ihren Mann gebunden ist. (ggs)
Arthouse Uto
The Rig
Horrorserie von David Macpherson, GB 2023, 6 Folgen
Nach «1899» kommt die nächste Hochsee-Horrorserie. «The Rig» spielt jedoch nicht auf einem Ozeandampfer des 18. Jahrhunderts, sondern auf einer schottischen Bohrinsel in der Gegenwart. Auf dieser geht für einen Teil der Mannschaft ein Einsatz zu Ende, die Ferien warten. Da bricht die Hölle los: Der Meeresgrund bebt, es gibt keinen Kontakt zum Festland mehr, ein dichter Nebel hüllt die ganze Nordsee ein, und es regnet Asche vom Himmel. Vorarbeiter Magnus (Iain Glen) hat alle Mühe, die Arbeiterinnen und Arbeiter davon abzuhalten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
Die zwischenmenschlichen Konflikte wirken etwas erzwungen, aber die Darstellerinnen und Darsteller sind grossartig – allen voran Iain Glen, den man aus «Game of Thrones» kennt. Dem schottischen Akzent des Casts hört man gern zu. Daneben baut die Serie gekonnt eine Atmosphäre des apokalyptischen Grauens auf. (ggs)
Erica Jong: Breaking the Wall
Dokumentarfilm von Kaspar Kasics, CH 2022, 96 Min.
Nicht ihr erstes Buch «Fear of Flying» (1973) machte sie weltberühmt, sondern zwei Worte daraus: «Zipless fuck.» Der reissverschlusslose Fick, eine Frauenfantasie, die Erica Jong als Feministin ausgesprochen erotisch formuliert hatte. Regisseur Kaspar Kasics hat die heute 80-jährige Schriftstellerin porträtiert, und er tut das auf eine Weise, die uns diese intelligente, humorvolle und auch selbstbezogene New Yorkerin mit zurückhaltender Präsenz näherbringt. (jmb)
Arthouse Piccadilly
Neuland
Krimiserie von Orkun Ertener, D 2022, 6 Folgen
Die Miniserie bildet eine Gesellschaftsschicht ab, die von der ersten Sekunde an förmlich darum bettelt, in ihren Lebenslügen enttarnt zu werden: wohlhabende, gut aussehende, gebildete Menschen, die allesamt glücklich sind? Das ist auch im Film zu schön, um wahr zu sein. Aber das muss nicht heissen, dass bei der Fassadendemontage keine Spannung aufkommt.
Was sich in Sünnfleth bei Hamburg so alles Ungutes tut, erfährt man nach und nach, weil die Buchhändlerin Alexandra (Inga Birkenfeld) eines Tages verschwindet. Als sie nach drei Wochen immer noch nicht aufgetaucht ist, kehrt ihre Schwester zurück, um sich um ihre beiden Nichten zu kümmern.
Die heimkehrende Karen (Franziska Hartmann) ist Berufssoldatin, die in Mali im Einsatz ist, aber auch schon in Afghanistan und in Kosovo Patrouille fuhr. Sie ist verstockt, schroff, maulfaul, kriegstraumatisiert, hat ein massives Alkoholproblem und spricht in Visionen mit ihrer Schwester. Um diese zentrale Antiheldin herum baut das Drehbuch gekonnt die Zerfallserscheinungen der beteiligten Familien auf. (SZ)
Auf zdf.de
Searchers
Arktik-Western von Zacharias Kunuk und Natar Ungalaaq, CDN 2016, 94 Min.
Das Filmpodium widmet dem Inuit-Regisseur Zacharias Kunuk gerade eine Retrospektive. «Searchers» ist seine Version des John-Wayne-Westerns «The Searchers». In beiden Filmen steht ein Mann im Zentrum, der sich nach einem Massaker auf eine Suche begibt, um entführte Familienmitglieder zu retten. In der Reihe sind beide Fassungen der Geschichte zu sehen. (ggs)
«Searchers» (2016): So 15.1., 15 Uhr/Sa 21.1., 18.30 Uhr; Filmpodium
«The Searchers» (1956): Fr 13.1., 18.15 Uhr/Di 24.1., 20.45 Uhr; Filmpodium
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