Homs wieder unter Beschuss
Während in New York der UNO-Sicherheitsrat um eine Resolution ringt, schwindet in Syrien die Illusion von der Waffenruhe. Eine iranische Rüstungslieferung wurde auf dem Weg nach Syrien gestoppt.
Am dritten Tag des Waffenstillstands in Syrien ist es nach Angaben von Aktivisten und laut Medienberichten erneut zu Gewalt gekommen. Regierungstruppen hätten zwei von Rebellen gehaltene Viertel in der Stadt Homs unter Beschuss genommen, teilte das in Grossbritannien ansässige Syrische Observatorium für Menschenrechte mit. Dabei sei mindestens ein Mensch ums Leben gekommen.
Der Körper des Mannes habe mehrere Stunden auf der Strasse gelegen, da Granatenbeschuss und Scharfschützenfeuer eine Bergung unmöglich gemacht hätten, sagte der Aktivist Tarek Badrachan. Die Angriffe galten offenbar den Stadtteilen Juret al-Shaya und Karabis. «Ich sehe schwarzen Rauch von einem Gebäude aufsteigen, das in Juret al-Shaya getroffen wurde», sagte Badrachan der Nachrichtenagentur AP über Skype.
Beide Seiten melden Tote
In einem im Internet veröffentlichten Video war offenbar zu sehen, wie Granaten in eine schwer beschädigte Strasse in Homs einschlagen. Die Angaben über die Opfer waren widersprüchlich und konnten nicht unabhängig überprüft werden. Nach Angaben von Aktivisten haben staatliche Sicherheitskräfte seit Beginn der Waffenruhe am Donnerstag 13 Menschen getötet. Die Regierung in Damaskus teilte hingegen mit, bei mutmasslichen Rebellenangriffen seien drei Menschen ums Leben gekommen.
Bei einer Beerdigung in der Stadt Aleppo hätten Regierungstruppen das Feuer eröffnet und drei Menschen getötet, berichteten die Örtlichen Koordinierungskomitees. Das Observatorium meldete nach dem Vorfall hingegen drei Verletzte. Unterdessen nahmen Soldaten nach Angaben der Gruppe in dem Damaszener Vorort Dumair zahlreiche Menschen fest. Bei der Explosion eines Autos seien eine Zivilperson getötet und zwei weitere verletzt worden.
Tag drei der Waffenruhe
Nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur SANA wurde heute in einem Vorort der Stadt Hama ein Heeresoffizier auf seinem Weg zur Arbeit entführt. In der Ortschaft Tin im Norden des Landes hätten Bewaffnete den Lokalpolitiker Mohammed Ismail al-Ahmad niedergeschossen und verschleppt, hiess es weiter.
Seit Donnerstagmorgen gilt offiziell eine Waffenruhe, die vom internationalen Syrien-Sondergesandten Kofi Annan als Teil seines Sechs-Punkte-Plans vorgesehen ist. Weitere Punkte sind der Abzug der Armee aus den Städten und das Recht zum friedlichen Demonstrieren.
Deutscher Frachter brachte Waffen
Am Morgen war bekannt geworden, dass ein deutsches Frachtschiff mit brisanter Ladung kurz vor dem syrischen Mittelmeerhafen Tartus abgefangen werden konnte: An Bord der Atlantic Cruiser der Reederei Bockstiegel sollen sich «schweres Militärgerät und Munition» befinden, schreibt «Spiegel online».
Gestoppt wurde der Frachter demnach von der Reederei selber, nachdem sie Hinweise auf die Waffen an Bord erhalten hatte. Syrische Überläufer hätten die Informationen geliefert, die den Deutschen zunächst nicht bekannt gewesen seien. Die Reederei hatte den Frachter an die ukrainische Firma White Whale Shipping vermietet.
«Waffen hätten wir nie an Bord gelassen»
Schiffsmakler Torsten Lüddeke von der Firma, die für die Befrachtung des Schiffs verantwortlich war, sagt gegenüber «Spiegel online»: «Die haben uns als Ladung vor allem Pumpen und ähnliche Dinge deklariert. Waffen hätten wir nie an Bord gelassen.»
Wo sich das Schiff nun genau befindet, wird aus dem Bericht nicht ganz deutlich. Jedenfalls werde es zunächst «da bleiben, wo es jetzt ist», sagte Lüddeke. Offenbar hatte die Atlantic Cruiser im zypriotischen Limassol angelegt. Dort habe die Besatzung tanken wollen. Weil sie Waffen als Ladung des Schiffs angegeben habe, sei die Versorgung verweigert worden.
Gemäss der Internetseite des Reeders Bockstiegel befand sich das Schiff heute um 8 Uhr zwischen Zypern und dem Nordlibanon. Als nächstes Ziel wurde der türkische Hafen Iskenderun angegeben.
Sicherheitsrat feilscht weiter um Resolution
Der UNO-Sicherheitsrat will heute über eine Entsendung von Beobachtern zur Überwachung der Waffenruhe in Syrien entscheiden. Nach Verhandlungen liege dazu ein überarbeiteter Resolutionsentwurf vor, die Abstimmung sei auf 11 Uhr (Ortszeit – 17 Uhr MESZ) angesetzt.
Das bestätigte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, am Freitag. Über die Erfolgsaussichten für eine Verabschiedung des vom Westen überarbeiteten Resolutionsentwurfes wollte sie jedoch keine Angaben machen: «Es wäre nicht klug, Vorhersagen zu treffen.»
Veto nicht ausgeschlossen
Der französische UNO-Botschafter Gérard Araud sagte, es gebe noch keine Einigung, es werde aber auf alle Fälle noch heute Samstag eine Abstimmung geben. Der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin sagte, er sei mit dem Ergebnis der «ziemlich schwierigen» Beratungen nicht «vollkommen zufrieden».
Er wolle nun zunächst den überarbeiteten Resolutionsentwurf sehen. Russland hatte gemeinsam mit China bereits zweimal Syrien-Resolutionen im UNO-Sicherheitsrat blockiert. Ein UNO-Diplomat sagte, ein weiteres Veto könne nicht ausgeschlossen werden.
So schnell wie möglich Beobachter
Die UNO will so schnell wie möglich Beobachter in das Land schicken, um die Einhaltung der Waffenruhe zu überwachen. Bereits ab Anfang kommender Woche könnte ein Vorausteam von rund 30 unbewaffneten Beobachtern nach Syrien reisen. Die Beobachtergruppe soll dann auf mehr als 200 Mitarbeiter aufgestockt werden.
Ein Vorausteam stehe bereit, sagte am Freitag ein Sprecher von Kofi Annan in Genf. Der Entsendung müsse jedoch auch Syrien zustimmen.
Streit um Bewegungsfreiheit
Der vom Westen vorgelegte Resolutionsentwurf fordert «vollständige, ungehinderte und sofortige Bewegungsfreiheit» für die Beobachter. Syriens Staatschef Bashar al-Assad wird aufgefordert, die an Annan gemachten Zusagen «sichtbar umzusetzen». Der UNO-Sicherheitsrat behält sich laut dem Entwurf zudem das Recht auf «weitere Massnahmen» vor.
Russland hat selbst eine verkürzte Version des von den westlichen Staaten erarbeiteten Resolutionsentwurfes für eine mögliche Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat eingereicht. Dort ist der Begriff der «ungehinderten» Bewegungsfreiheit für die Beobachter ebenso gestrichen wie die Androhung «weiterer Massnahmen». Auch eine Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in Syrien findet sich nicht in dem russischen Entwurf. Ein Diplomat sagte, Russland habe bei den Beratungen «um jeden Satz gefeilscht».
«Zu kompliziert»
Tschurkin bemängelte, der Text sei zu lang und zu kompliziert und würde weitere Verhandlungen notwendig machen. Seine Regierung wolle eine schnelle Entsendung der ersten Beobachter und dann erst ein Mandat für die gesamte Beobachtertruppe.
Westliche Diplomaten sagten hingegen, das Vorausteam müsse mit den gleichen Befugnissen ausgestattet werden wie eine vollständige Beobachtermission.
sda/dapd/AFP/ami/rub
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