«Ich begrüsse den Aufstand der Wohlmeinenden»
Für Milo Rau soll politische Kunst widersprüchlich sein. Auch wenn es um Hilfe geht.

Über engagiertes Theater wird in Zeiten der Flüchtlingskrise heiss debattiert. Wo ist der Schlagbaum zwischen reiner und engagierter Kunst?
Das hängt vom gesellschaftlichen Kontext ab. Tschechow aufzuführen, ist im Iran, wo der Staat tief ins private Leben seiner Bürger eingreift, ein politisches Statement. In Zürich oder Berlin dagegen ist es Kunsthandwerk. Umgekehrt wird Engagement in dem Moment künstlerisch fragwürdig, da es der Staatsdoktrin entspricht. Die Zeiten ändern sich, und was gerade noch subversiv war, wird staatstragend. Mein Essay «Was tun?», der vor zwei Jahren noch als aggressive Streitschrift galt, wurde vor ein paar Tagen so beworben: «Was bei der Kanzlerin auf dem Nachttisch liegt, können auch wir unter den Weihnachtsbaum legen.» Da musste ich natürlich laut lachen. Schade nur, dass der Tatendrang der Kanzlerin – und jener der politischen Theaterkunst – meistens an den EU-Aussengrenzen endet.