«Ich empfehle allen Cannabis»
Schauspieler Sir Patrick Stewart über Beschwerden im Alter, die politischen Botschaften des Superheldenfilms «Logan» und das Erwachsenwerden mit Shakespeare.

Der «Logan»-Film hat zahlreiche politische Bezüge, nicht wahr?
Das kann man so sehen. Das Ziel der Hauptpersonen ist ja, eine Grenze zu überschreiten. Und das Ziel der Bösewichte ist, das zu verhindern. Menschen sollen nicht von da fliehen dürfen, wo ihr Leben unsicher ist. Das ist eine Parallele zu unserer Welt, in der – nicht nur in den USA – immer mehr Grenzen gezogen und Mauern errichtet werden.
Sie setzen sich seit Jahren für Flüchtlinge ein.
Es ist für mich eine Pflicht. Aber für uns sogenannte Celebrities wird es immer schwieriger, sich humanitär zu engagieren. In der britischen Presse werden Personen, die das tun, gerne lächerlich gemacht. So nach dem Motto: Die tun das doch nur für den eigenen Ruhm.
Das stimmt doch in einigen Fällen.
Klar gibt es immer wieder Menschen, die ihren Medienzugang zu einem einzigen Zweck nutzen: sich selbst zu promoten, auch mit dubiosen Charity-Aktionen. Aber eine Angelina Jolie, zum Beispiel, hat es wirklich nicht nötig, so viel Geld und so viel Zeit für ihr Engagement zu verwenden, wie sie es tut. Es gäbe angenehmere Dinge für sie.
Wurden Sie auch schon angegriffen?
Sicher. Ich war zum Beispiel erschüttert über den Ausgang des Brexit und habe das gesagt. Das hat man mir in einigen Presseerzeugnissen übel genommen und geschrieben, man solle als Schauspieler bei seinen Leisten bleiben und bei politischen Dingen den Mund halten. Das werde ich nie tun. Zum Brexit-Referendum hätte es zum Beispiel gar nie kommen dürfen.
Wieso?
Das Referendum hat es ja nur gegeben, weil sich unser Premierminister vor ein paar Hinterbänklern gefürchtet hat. Er dachte, er würde die Abstimmung locker gewinnen. Schauen Sie, wo er jetzt ist: Die Karriere ist futsch. Dabei – das sage ich, ohne Fan seiner Partei zu sein – war er kein schlechter Premierminister. Er war nicht meiner, aber nicht schlecht. Wie auch immer, lassen Sie uns über «Logan» sprechen.
Im Film geht es auch ums Altern.
Ich bin zwar noch nicht ganz so alt wie der Professor, den ich spiele. Aber ich habe auch Altersgebrechen, ich kann diese Wasserflasche, die ich da in der Hand halte, kaum öffnen, weil meine Finger nicht mehr funktionieren.
Rheumatismus?
Ja. Und wissen Sie was? Cannabis hilft dagegen. Ich habe einen Spray; seit ich den gebrauche, kann ich das Fläschchen wenigstens wieder in den Händen halten. Ich empfehle allen Cannabis. Aber es stimmt, «Logan» ist in vielerlei Hinsicht ein Film über das Altern, das Abschiednehmen.
Ist es auch eine Art Abgesang auf das Superheldengenre?
Vielleicht bin ich naiv, aber ich sehe keinerlei Anzeichen, dass es weniger Superheldenfilme geben wird. Ich selber bin kein Fan dieses Genres, habe zum Beispiel noch nie einen Superman-Film gesehen. Wenn ich Eskapismus brauche, gehe ich zum Fussball.
Ins Kino gehen Sie nie?
Doch, oft. Aber wenn ich Filme schaue, geht es mir um ein besseres Verständnis der Welt. Ich vergesse nie: Mein Leben hat sich verändert, dank Filmen.
Inwiefern?
Ich wuchs in einer Arbeiterfamilie auf. Die Kindheit war nicht einfach, manchmal gar gefährlich. Aber dann begann ich, ins Kino zu gehen und fand eine neue Welt. Ich liebte die Filme mit Rock Hudson und Doris Day, darin gab es grüne Rasenflächen und weisse Häuschen. Eine unbekannte Welt für mich, sozusagen das Paradies in Technicolor.
Also auch eine Art Eskapismus?
Warten Sie ab. Eines Abends sass ich in einem schwarzweissen Film, was mich schwer enttäuschte, als er begann. Aber dann war es «On the Waterfront», Elia Kazans Meisterwerk, und mir wurde bewusst, dass man auch Filme über meine Gesellschaftsschicht machen kann. Klar, ich lebte nicht an einem Hafen. Aber einen Film zu sehen, in dem Arbeiter vorkamen, erschütterte mich. Es war wohl deswegen, dass das die Filme wurden, die mich interessieren.
Sie begannen früh mit der Schauspielerei.
Shakespeare ist schuld. Seit dem Alter von zwölf Jahren bin ich fasziniert von seinen Stücken. Ich verstand sie damals nicht, konnte sie gar nicht nachvollziehen. Aber ich liebte den Klang der Worte und versuchte sie nachzumachen. Und als ich sie dann zu verstehen begann, merkte ich, dass es darin oft um Dinge ging, die mich selber beschäftigten.
Shakespeare prägte Ihre Welt?
O ja. Ich wurde zwar nicht in eine Königsfamilie geboren, aber diese Stücke haben mir geholfen, meine eigenen Gedanken und Gefühle zu formen. Und zwar nicht nur die guten Menschen darin. Meine beste Erfahrung war, Macbeth zu spielen, eine der schlimmsten Personen in der Theatergeschichte. Achtmal in der Woche sagte ich: «Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen . . .»
Färbt eine solche Figur ab?
Selbstverständlich. Bei «Macbeth» wurde ich depressiv, konnte kaum schlafen in der Nacht, trank zu viel, jeden Abend, um besser einschlafen zu können. Ich habe wirklich gelitten. Aber das Verrückte: Wenn es dann so gegen vier Uhr nachmittags wurde, rieb ich mir die Hände und konnte es kaum erwarten, an die Arbeit zu gehen. Ich wollte diese Welt der Dunkelheit betreten.
In letzter Zeit waren Sie aber auch in Komödien zu hören.
Ja, Sprechrollen in Animationsfilmen sind eine neue Welt für mich. Im Emoji-Film, der im Sommer kommt, werde ich als Poop zu hören sein.
Als der lächelnde Scheisshaufen?
Genau. Und ich verspreche: Es ist etwas vom Lustigsten, was ich gemacht habe.
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