«Ich habe das Parlament nie getäuscht oder gar belogen»
Die Ausfälle durch die Unternehmenssteuerreform II fallen massiv höher aus, als Hans-Rudolf Merz kommuniziert hatte. Deshalb geriet der Alt-Bundesrat massiv in die Kritik. Nun wehrt er sich.

Alt-Bundesrat Hans-Rudolf Merz verteidigt im FDP-Parteiorgan seine Rolle bei der Unternehmenssteuerreform II. Er verwahrt sich gegen den Vorwurf, er habe bei der Schätzung der Steuerausfälle gelogen. Seine Argumentation dürfte die Kritiker nicht restlos überzeugen.
Unter dem Titel «Richtigstellung» äussert sich der ehemalige Bundesrat der FDP im am Montag erschienenen «Schweizer Freisinn» zur Kritik vor allem der Linken. «Ich versichere Ihnen, das Parlament nie getäuscht oder gar belogen zu haben», schreibt Merz im Artikel.
Die Unternehmenssteuerreform II, die 2008 mit 50,5 Prozent Ja-Stimmenanteil gutgeheissen wurde, verursacht deutlich höhere Einbussen, als der Bundesrat vor der Abstimmung angegeben hat. Dieser ging von einigen Dutzend Millionen Franken aus. Nach heutigen Schätzungen dürften die Einbussen aber während Jahren 300 bis 600 Millionen Franken pro Jahr betragen.
Bundesrat oder Parlament?
Dass die Folgen zum neu eingeführten Kapitaleinlageprinzip nicht richtig abgeschätzt werden konnten, begründet Merz damit, dass «im Parlament eine Rückwirkung beantragt und vom Stimmvolk beschlossen» worden sei. Diese Rückwirkung ist der Grund für die zusätzlichen Steuerausfälle.
Allerdings fügte nicht wie von Merz behauptet das Parlament, sondern der Bundesrat die umstrittene Rückwirkung ein. Im Gesetzesentwurf des Bundesrates und der Botschaft zur Unternehmenssteuerreform ist sie beim Kapitaleinlageprinzip bereits vorgesehen.
Der Bundesrat bestätigte diesen Ablauf des Gesetzgebungsprozesses im April 2011 in seiner Antwort auf eine Motion von SP-Präsident Christian Levrat (FR). Der Bundesrat habe die Rückwirkung aufgrund der Vernehmlassung vorgeschlagen, heisst es darin. Das Parlament segnete sie ohne Diskussion ab.
Zweifel an Schätzungen
Der Aspekt der Rückwirkung sei im Parlament nie thematisiert worden, hält auch Merz fest. Es wäre aber auch schwierig gewesen, verlässliche Zahlen zu den Auswirkungen zu ermitteln, gibt der ehemalige Finanzminister zu bedenken. Und ob die Abstimmung dann anders ausgegangen wäre, sei «schwer zu sagen».
Merz bringt Zweifel an der Schätzung der Einnahmeausfälle des Bundes an. Die Anpassungen hätten auch dazu geführt, dass neue Unternehmen in die Schweiz gezogen seien und nun Steuern ablieferten. Angesichts der Überschüsse in der Staatsrechnung fragt er zudem: «Wo sind denn jetzt die behaupteten Milliardenausfälle?»
In die Bemühungen, die befürchteten Steuerausfälle zu verringern, kam in der abgelaufenen Wintersession Bewegung: Der Ständerat hiess eine Motion seiner Wirtschaftskommission gut, die eine Begrenzung der Ausfälle verlangt - beispielsweise bei der nächsten Reform. Noch muss der Nationalrat den Vorstoss bestätigen. Dieser lehnte es ebenfalls in der vergangen Session ab, die Auswirkungen in einem Bericht aufzuarbeiten.
Mehrere Rechtfertigungsversuche
Nicht zum ersten Mal sieht sich der im Dezember 2010 zurückgetretene Merz veranlasst, sein Handeln als Bundesrat zu rechtfertigen. Im Oktober 2011 blickte er in einem offenen Brief auf seine Rolle bei der Krise mit Libyen und seinen umstrittenen Gang nach Tripolis zurück. Die damalige SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey warf ihm danach «Realitätsverweigerung» vor.
Wegen einer Fehlinformation geriet Merz auch beim Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den USA in die Kritik. Das Parlament musste im März 2012 einer Ergänzung des DBA zustimmen, weil in der unter Merz' Verantwortung erstellten Botschaft irreführende Angaben zu Gruppenanfragen bei Amtshilfe enthalten waren.
SDA/kpn
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