FCZ-Captain Brecher im Interview«Ich mag es, wenn ich im Kopf gefordert werde»
Yanick Brecher, Torhüter und Captain des FC Zürich, spricht darüber, dass eine starke und positive Mentalität zum Erfolg führt.

Warum sind Sie Torhüter geworden?
Anfangs war ich Feldspieler, doch bei den E-Junioren hatten wir keinen Torhüter mehr, und alle Spieler mussten einmal die Goalierolle übernehmen. Diese Position hat mir sehr gefallen, ich stand jedes zweite Spiel im Tor. Der FC Zürich hat bei mir die Qualitäten als Goalie entdeckt. Seither bin ich Torhüter.
Wer ist Ihr Vorbild?
Mein Vorbild war immer Iker Casillas. Er durfte als junger Torhüter bei Real Madrid und in der spanischen Nationalmannschaft spielen und viele Titel gewinnen. Seine Highlights sind auch heutzutage noch sehr beeindruckend. Ich habe ihm immer ein bisschen nachgeeifert.
Welches sind die grössten Herausforderungen beim Spielen als Torhüter?
Jede Aktion, jeder Fehler kann entscheidend sein. Ein Stürmer kann viele hochprozentige Chancen auslassen und ein spätes Siegestor erzielen. Meistens wird er dann von allen als Held bezeichnet. Wenn man als Torhüter einen Fehler macht, schiessen die Gegner oft ein Tor. Auch muss man als Torhüter stets bereit sein für eine späte Parade. Es ist also mental eine ganz andere Aufgabe als die eines Feldspielers.
Wie sieht Ihr Trainingsalltag aus?
Im Training arbeiten wir Torhüter immer die erste halbe Stunde oder sogar die erste Stunde allein mit dem Torhütertrainer. Mit ihm wärmen wir uns auf und machen spezifische Übungen, ehe wir dann mit der Mannschaft trainieren.
Ihre Rolle als Torhüter ist eine völlig andere als die eines Feldspielers…
…ja, das ist so. Ich würde das Torwartspiel beinahe als eine andere Sportart mit komplett anderen Anforderungen bezeichnen.
Wie verhalten Sie sich, wenn Sie während eines Spiels wenig zu tun haben?
Ich probiere trotzdem aktiv am Geschehen teilzunehmen und nicht mit meinen Gedanken bei anderen Dingen zu sein. Gerade die Kommunikation hilft mir, hierbei die Mannschaft zu unterstützen. Denn wenn ich eine Zeit lang nichts sage, lässt die eigene Konzentration unbewusst nach, und ich wäre deswegen im entscheidenden Moment nicht bereit.
Wie gehen Sie damit um, wenn Sie einen Fehler machen, der zu einem Gegentor führt?
Ich schaue sofort, dass die Mannschaft wieder die richtige Körpersprache hat, dass wir uns nicht selber fertigmachen, sondern positiv bleiben. Wir haben schliesslich schon oft gezeigt, dass wir Spiele drehen und auch noch in den letzten fünf Minuten Tore schiessen können. Es ist nie zu spät im Fussball. Bei Fehlern habe ich mir angewöhnt, diese schnell zu verdrängen. Ich kann Fehler grundsätzlich gut aus dem Gedächtnis streichen, da man es sowieso nicht ändern kann.
Wie motivieren Sie sich und als Captain auch Ihre Kollegen nach einer Niederlage?
Ich bin ein schlechter Verlierer, darum bin ich nach einer Niederlage meistens zwei bis drei Tage nicht gut drauf, wie die meisten von uns. Wir gehen auf den Platz, um zu gewinnen, darum ist es auch richtig, enttäuscht zu sein, wenn man mal verloren oder nicht so gut gespielt hat. Trotz allem ist das Gute nach einer Niederlage, dass wir sieben Tage darauf die Gelegenheit haben, es in einem neuen Match besser zu machen.
Wie wird ein Match aufbereitet?
Am Tag nach dem Spiel gibt es meistens eine Videoanalyse. Dann wird nochmals angesprochen, was gut und was schlecht lief, danach haben wir einen freien Tag. An diesem freien Tag verarbeite ich das Spiel persönlich, sodass man am nächsten Trainingstag wieder eine positive Einstellung hat. Dann schaut man wieder vorwärts und kann wieder Höchstleistungen bringen.
Wie geht die Familie nach einer Niederlage mit Ihrer schlechten Laune um?
Meine Frau hat gelernt, damit umzugehen. Sie weiss, dass sie mit bestimmten Dingen nach einer Niederlage nicht kommen kann. Ausserdem telefoniere ich nach fast jedem Spiel mit meinem Vater. Auch er weiss, dass ich nach schlechten Spielen sehr schlechte Laune haben kann. Nach dem 1:1 gegen Winterthur hat er mich zum Beispiel erst vier Tage nach dem Spiel angerufen, weil er wusste, dass ich nicht gross über diesen Match, sondern vielmehr über die nächste Partie sprechen will.
Reagieren Ihre Kinder ebenfalls?
Das Schöne ist: Sie interessiert das noch überhaupt nicht. Du kommst nach Hause, und sie wollen nur, dass du ihnen Bücher vorliest oder mit ihnen spielst.
Was machen Sie zum Ausgleich zu Ihrem Beruf?
Früher habe ich sehr gerne Golf gespielt, weil man sich draussen ein bisschen bewegt, den Kopf aber trotzdem komplett ausschalten kann. Mittlerweile habe ich zu Hause zwei kleine Kinder und deswegen nicht mehr viel Zeit fürs Golfen. Ich bin ein grosser Familienmensch und mache sehr viel mit meiner Familie. Nebenbei habe ich angefangen Betriebsökonomie in Zürich zu studieren, was natürlich auch mit Aufwand verbunden ist. Es tut mir extrem gut, auch mal etwas zu machen, das meinen Kopf ausserhalb des Fussballs fordert.
Wie gehen Sie mit Druck und Erwartungen von den Fans um?
Druck und Erwartungen von den Fans bekommt man natürlich mit. Man kann daran ablesen, dass der FCZ ein grosser Club mit vielen Fans ist. Dieser Druck und die Erwartungen kommen natürlich an dich ran, aber da ich selber sehr ehrgeizig bin und sehr selten mit meiner eigenen Leistung zufrieden bin, finde ich das nicht so schlimm. Fans haben grosse Erwartungen an uns, aber ich selber übertreffe diese Erwartungen.
Gibt es auch internen Druck?
Der Druck vom Trainer und der Mannschaft ist deutlich kleiner als der Druck von aussen, da die Erwartungen für den FCZ mit unserer Vergangenheit jedes Jahr sehr gross sind. Es wird erwartet, dass wir um die oberen Ränge in der Liga kämpfen und einen europäischen Platz erreichen. In der Mannschaft wird viel mehr auf einzelne Situationen eingegangen: Wenn wir beispielsweise den ersten Match verlieren, wird nicht erwartet, dass wir die nächsten drei Spiele gewinnen. Die Fans erwarten das von uns. Intern weiss man, was realistisch möglich ist, und setzt Ziele, die nicht zu viel Druck auf die Spieler ausüben. Der Trainer will auch nicht zu viel Druck machen, um die Spieler nicht zu überfordern.
Was ist Ihre Meinung zum Video Assistant Referee?
Ich finde ihn gut. Klar, man kann immer über die Umsetzung diskutieren. Wenn jeder Seich gecheckt wird und das dauernd Spielunterbrüche nach sich zieht, ist das nicht so gut. Für klare Entscheide wie Offside ist es natürlich das Richtige.
Wie wichtig ist es, als Torhüter eine starke Persönlichkeit zu haben?
Sehr wichtig. Man steht unter hohem Druck, den man aushalten muss. Dazu kommt noch die Pflicht, mit der Mannschaft zu kommunizieren und ihr zu helfen. Wenn man als Torhüter keine Sicherheit ausstrahlt, kann sich die ganze Mannschaft nicht wirklich sicher fühlen und etwas riskieren. Es ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, der Mannschaft genau diese Sicherheit zu geben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.