«Ich muss das gut durchlesen»
Der mutmassliche serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic musste sich erstmals dem UN-Tribunal stellen. Er sei schwer krank, sagte er den Richtern. Der ehemalige General wird in elf Punkten angeklagt.
Der mutmassliche bosnisch- serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic ist heute zur Anklageverlesung erstmals vor dem Haager UNO-Tribunal erschienen. Gegenüber dem Gericht gab er an, er sei schwer krank und brauche mehr Zeit, um die Anklagepunkte zu verstehen. Mladic machte zunächst keine weiteren Angaben zu seiner Krankheit. Erst unter Ausschluss der Öffentlichkeit berichtete er den Richtern über seinen Gesundheitszustand.
In barschem Ton hatte er zuvor dem Vorsitzenden Richter, dem Niederländer Alphons Orie, beschieden, er wolle «nicht einen einzigen Buchstaben oder Satz» von seiner Anklage im Gericht hören. Orie begann dennoch mit dem Verlesen der Anklage. Mladic wird darin vorgeworfen, die schlimmsten Gräueltaten des Bosnienkrieges mit 100'000 Toten organisiert zu haben. Als ihm die Verantwortung für das Massaker von Srebrenica von 1995 zur Last gelegt wurde, bestritt er den Vorwurf mit einem Kopfschütteln.
Orie führte einzelne Verbrechen wie «Vertreibung und Mord» an. Er beschrieb von serbischen Verbänden angelegte Massengräber, Deportationen und Zwangslager. Mladic werde sich für «Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Verstoss gegen die Gesetze und Regeln der Kriegsführung» verantworten müssen, sagte der Richter. Es handelt sich um insgesamt elf Anklagepunkte.
«Volk und Land verteidigt»
Mladic wollte sich auf Aufforderung nicht zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen äussern. Er sprach von «abscheulichen Vorwürfen». «Ich muss das gut durchlesen», sagte Mladic. Es handele sich um «monströse Worte, von denen ich noch nie gehört habe». Der Angeklagte wiederholte während der Anhörung immer wieder: «Ich habe mein Volk und mein Land verteidigt». «Ich habe keine Muslime und keine Kroaten umgebracht», sagte er ebenfalls.
Mladic hat nun 30 Tage Zeit, um sich für schuldig oder nicht schuldig zu erklären. Bezieht er zu den Vorwürfen bis zum 4. Juli nicht Stellung, wertet das Gericht dies als Plädieren auf nicht schuldig. Mladic kündigte aber an, dass er mehr Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung brauchen werde.
Die erste Anhörung in Den Haag wurde von einem grossen Medieninteresse begleitet. Bereits gestern hatten Journalisten aus aller Welt Stellung vor dem Gericht bezogen. Um zudem einen Andrang von Besuchern zu bewältigen, mietete das Gericht einen Raum in einem benachbarten Kongresszentrum und stellte dort Videoleinwände für eine Übertragung der Anhörung auf.
Eine Zusammenfassung der elf Anklagepunkte:
- Völkermord und Beihilfe zum Völkermord wegen der Führung der bosnisch-serbischen Truppen, die 1995 in Srebrenica ein Massaker an rund 8000 muslimischen Jungen und Männern anrichteten, und während des Bosnienkriegs zwischen 1992 und 1995 in Städten und Dörfern Bosniens sogenannte ethnische Säuberung durchführten
- Verfolgung wegen Mordes, Folterungen, Vergewaltigungen, Abschiebungen und illegalen Inhaftierung von Muslimen und Kroaten
- Ausrottung, Mord, Grausamkeit wegen der Ermordung von Nicht-Serben in Städten und Dörfern durch bosnisch-serbische Truppen und wegen der Heckenschützenattacken und des Bombardements während der 44 Monate dauernden Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo
- Geiselnahme wegen der Geiselnahme von militärischen Beobachtern und Soldaten der Friedenstruppen der Vereinten Nationen
Mladic für verhandlungsfähig erklärt
Der serbische Ex-General war zuvor vom UNO-Tribunal in Den Haag für verhandlungsfähig erklärt worden. «Im Augenblick gibt es keine Hinweise, dass der Gesundheitszustand Mladic hindern wird, am Gerichtsverfahren teilzunehmen», sagte der Sekretär des Tribunals, John Hocking, der Belgrader Zeitung «Blic».
Demgegenüber hatte der Anwalt von Mladic in den letzten Tagen ärztliche Diagnosen vorgelegt, nach denen der 69-Jährige an Lymphdrüsenkrebs leide und möglicherweise seinen Prozess nicht durchstehen werde. Der stellvertretende serbische Staatsanwalt für Kriegsverbrechen hat Zweifel an dieser Krebsdiagnose für Ratko Mladic geäussert.
Staatsanwalt Bruno Vekaric sagte, das entsprechende Dokumente «sieht aus wie eine Ente». Zudem zog er die darin genannte Diagnose in Zweifel. Zuvor hatte der serbische Verteidigungsminister Dragan Sutanovac dem Anwalt vorgeworfen, die «Öffentlichkeit zu manipulieren». «Ich glaube diese Geschichte wirklich nicht, aber wir werden der Sache nachgehen», sagte Sutanovac.
SDA/jak
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch