«Ich würde Salome wieder in Marks Obhut geben»
Zwei seiner Kinder soll Mark W. schwer misshandelt haben – ihre Mütter mussten heute vor Gericht aussagen. Eine davon ist von der Unschuld des Peinigers überzeugt.

Weshalb vertrauten die beiden Mütter ihre Töchter dem 44-jährigen Briten Mark W. an? Wie konnten sie das strenge Strafregime und die daraus resultierende Mangelernährung und Angstzustände von Gabriela und Salome übersehen? Als sie heute Mittwoch als Zeugin vor den Richter trat, wirkte die Mutter Gabrielas unsicher. Unsicher war sie wohl auch, als sie ihr nur drei Monate altes Kind Mark W. überliess. «Doch letztlich hat er das von mir verlangt», sagt die 42-Jährige.
Als Gabrielas Mutter ins Krankenhaus zu ihrem sterbenden Kind eilte, traf sie auf Mark W. und Lea K. Lea war die neue Freundin Marks und ist jene Frau, die dem Kind die tödliche Verletzung zugefügt haben soll. Als der Arzt die Angehörigen schliesslich über den Gesundheitszustand informierte, war es die leibliche Mutter, die vor der Türe warten musste. Mark und Lea verschwanden mit dem Arzt in einem Zimmer, trösteten sich gegenseitig, und Garbielas Mutter stand aussen vor.
«Ich dachte, ich könne ihr nicht genug von Gott mitgeben»
Wie sie sich damals aus dem Kreis der Angehörigen drängen liess, liess sie sich auch aus ihrer Rolle als Mutter drängen. Und das, obwohl sie schon damals feststellte, dass Mark seine erstgeborene Tochter sehr streng erzogen hat. Zu streng, wie sie fand. Sie habe zwar nicht gewusst, dass Mark das Mädchen schlug, aber sein perfides Strafsystem habe sie gekannt. Sie wusste, dass Mark Salome hungern liess und kalt abduschte.
Trotzdem übergab sie ihr eigenes Kind in die Hände seines Vaters. Die Zweifel an Marks Erziehungsmassnahmen wurden überschattet durch die Zweifel an sich selbst. «Ich dachte, ich könne ihr nicht genug von Gott mitgeben», erklärt sie im Gericht. Letztlich glaubte sie, ihr Kind sei beim Vater besser aufgehoben als bei ihr.
«Das mit dem Züchtigen steht auch in der Bibel»
Keine Zweifel hatte die Mutter von Marks ersten Kind, Salome. Nicht, als sie ihr Kind seinem künftigen Peiniger überliess und auch nicht, als sie heute vor die Geschworenen trat. «Ich würde Salome wieder in Marks Obhut geben», sagte sie. «Für mich geht das nicht unter übelste Misshandlungen.» Was dem Mädchen in ihrem jungen Leben angetan wurde, fände sie nicht so schlimm. «Das mit dem Züchtigen steht auch in der Bibel. Gäbe es einen anderen Weg, hätte Gott ihn beschrieben.»
Salome ist heute 12-jährig und wurde nach Gabrielas Tod in eine Pflegefamilie übergeben. Ihre Mutter ist heute 55 Jahre alt, 2006 attestierte ihr ein Psychiater eine abhängige Persönlichkeitsstörung und eine wahnhafte Störung. Sie bestreitet, dass diese Befunde zutreffen. Die Beziehung zu Mark dauerte nur wenige Monate. Noch bevor sie das Kind 1998 gebar, trennten sie sich. Trotzdem war sie weiterhin der Überzeugung, dass Marks Glauben ihn zu einem guten Vater für ihre Tochter macht. «Er lebte das Wort Gottes wie kein anderer, den ich kenne», sagte sie. Ihre Ehrfurcht ging so weit, dass sie in Mark einen Nachfolger Jesus sah. «Ich war überzeugt, dass er das Kind in Gottes Namen erziehen wird.»
Sie gibt den Richtern nur widerwillig Auskunft, spricht nur langsam und stellt sich voll und ganz hinter Mark. Ihrer Meinung nach ist Mark unschuldig. Zu diesem Schluss kommt sie, ohne die Anklageschrift gelesen zu haben, wie sie gegenüber dem Staatsanwalt erklärte.
Die ersten zwei Prozesstage
Für das tödliche Schütteltrauma wird Lea K. verantwortlich gemacht. Sie hatte in der fünften Einvernahme gestanden, die auf 12 Kilo abgemagerte Gabriela nach kalten Duschen wiederholt heftig geschüttelt zu haben. Am 9. Mai 2006 war es für das vierjährige Kind im Entwicklungsstadion einer Zweijährigen zu viel: Gabriela starb an den Folgen der Verletzungen.
Gestern stand die heute 26-Jährige vor Gericht – allerdings als Zeugin, nicht als Angeklagte. Ihr Fall wird im kommenden Jahr separat verhandelt. Lea K. machte vom Rechte gebrauch, auf eine Aussage zu verzichten. Deshalb las der Staatsanwalt aus den Protokollen der Einvernahme vor, wie sie sich am brutalen Strafen der Kinder beteiligte.
Eine Einsicht bei den Angeklagten
Auffallend war dabei die Erscheinung von Lea K.: Sie trat im kurzen Rock, Stöckelschuhen und stark geschminkt vor die Geschworenen. Wie erste gestern bekannt wurde, war sie als Mann geboren worden. Kurz bevor sie 2004 zu W. und N. nach Wila zog, liess sie sich zur Frau umwandeln. Obwohl die Gemeinschaft das Alte Testament und die Schriften Jakob Lorbers sehr streng auslegte, akzeptierte Mark W. diese Umwandlung offenbar ohne weiteres.
Die beiden Angeklagten zeigten sich während ihrer Befragung an den beiden ersten Tagen absolut uneinsichtig. Sie bezeichneten sich als «Werkzeuge Gottes», die die Kinder« züchtigen mussten, um sie auf den rechten Weg zu bringen.» «Wir haben sie nicht für diese Welt, sondern für den Himmel erzogen», sagt Barbara N., die bis zum Tod von Gabriela als Sozialpädagogin in einem Kinderheim arbeitete.
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