Igor L. bleibt weiterhin das Dorfgespräch
Ob es richtig war, Igor L.* die Freiheit zu entziehen, darüber ist man sich im bernischen Schüpfen auch eine Woche nach dessen Festnahme nicht einig. Was über ihn gesagt wurde, sei oft übertrieben gewesen, heisst es nun.

Freitagabend, kurz nach dem Eindunkeln, rund um den Bahnhof Schüpfen. Einige Gruppen Jugendlicher und junger Erwachsener stehen herum oder sitzen auf Laderampen und Bänken und unterhalten sich. Kurz bevor der Laden im Bahnhofgebäude schliesst, decken sich viele noch einmal mit Bier und Zigaretten ein.
«Man hat übertrieben»
Dass Igor L.*, den die Medien in den letzten Wochen als «Schläger von Schüpfen» betitelten, nun weggesperrt wurde, ist an diesem Abend ein Thema. Es sei übertrieben, zu sagen, dass Igor L. Schüpfen terrorisiert habe, meint ein Oberstufenschüler, der sich mit seinen Kollegen ab und zu am Brunnen vor dem Bahnhof trifft. Ein anderer – auch er möchte seinen Namen nicht nennen – hat von den ganzen Problemen erst durch die Zeitung erfahren. «Jeder Mist, der in Schüpfen passiert, wird dieser Gruppe um Igor angelastet – zu Unrecht», findet ein Dritter. Wenn man diese Leute nicht provoziere, gebe es aber auch keine Probleme.
«Früher war Igor okay»
Das sieht Frederick Maybach anders. Er steht mit seiner Bierbüchse auf der Rampe vor dem Parkplatz. Früher sei Igor noch okay gewesen, «doch seit etwa zwei Jahren schlägt er total nebenaus.» Auch er selbst habe früher mit seinen Kollegen den einen oder anderen «Seich» gemacht. «Aber wir wussten, wo die Grenze liegt.» Dass Igor nun hinter Schloss und Riegel sitzt, findet er in Ordnung. «Hätten die Medien die Sache nicht publik gemacht, liefe Igor noch immer frei herum», sagt er.
«Nicht alleine schuld»
Auf der anderen Seite des Bahnhofs, gegen die Gleise zu, stehen noch ein paar junge Männer. Als der Name Igor L. fällt, werden sie vorsichtig. Dieser sei sein bester Kollege gewesen, sagt einer von ihnen. Einig sind auch sie sich: Dass Igor L. nun hinter Gittern ist, daran seien allein die Medien schuld. Ein Grund mehr, gegenüber dem Journalisten vorsichtig zu sein: Die Männer brechen das Gespräch ab.
Eine, die das Treiben schon seit Jahren beobachtet und auch Igor L. kennt, ist K. Ihren vollen Namen will sie der Zeitung nicht preisgeben, um sich keine Probleme einzuhandeln. Verändert habe sich rund um den Bahnhof nach der Festnahme von Igor L. nicht viel. «Die jungen Leute sind nach wie vor da, trinken Bier, kiffen und machen eine Sauerei», sagt sie. Igor L. sei zwar kein Engel, doch die Hetzjagd, welche die Boulevardpresse gegen ihn veranstalte, sei nicht gerechtfertigt.
Für K. sind es nicht allein die Jugendlichen, die an den Problemen schuld sind. «Die gleichen Leute sassen schon vor fünf Jahren, als 14- und 15-Jährige, auf dem Bänkchen. Aber weder die Eltern noch die Schule noch die Gemeinde haben reagiert.» Mit halbherzigen Massnahmen wie einer Alterslimite für den Aufenthalt am Bahnhof seien die Probleme nicht gelöst.
*Name der Redaktion bekannt
BZ/tul
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