ZoomIhre Makel sind eigentlich keine
Narben, Fettpolster, Hängebrüste: Die Fotografin Anna-Tia Buss zeigt Frauen und Männer, die von ihren vermeintlich unvollkommenen Körpern erzählen.

«Du bist sehr klein, wer wird dich heiraten?» Das bekam die Ägypterin Amira als junges Mädchen von ihrer Mutter zu hören. «Warum lässt du dir die Augen nicht vergrössern? Das ist gar nicht mal so teuer.» So witzelten die Mutter und die Schwester von Aziza aus Kirgistan. «Warum unternimmst du nichts wegen deines Gesichts?» Diese Frage wurde Santhi aus Malaysia von Fremden gestellt.
Die Schweizer Fotografin Anna-Tia Buss trägt im Projekt «I Never Realized» Geschichten von Frauen und Männern zusammen, die von anderen auf einen körperlichen Makel aufmerksam gemacht wurden. Einen Makel, den sie vielleicht nicht einmal selbst bemerkt hatten oder der für sie bis anhin kein Problem war.




Buss stellt mit den Fotografien dieser Menschen und den dazugehörigen Texten das gesellschaftliche Schönheitsdiktat zur Diskussion, das je nach Weltregion unterschiedliche Formen annimmt. Allen Porträtierten ist jedoch gemeinsam, dass die Kommentare von Freunden, Müttern, Schwestern oder Bekannten das Selbstbild beeinflussten: Die Anekdoten liegen oft Jahre zurück, sind als Erinnerung aber noch immer präsent.


So erzählt die 96-jährige Christel aus Deutschland, dass sie sehr hübsche Cousinen gehabt habe – und dass ihre Mutter zu ihr sagte, sie habe Glück, dass die Cousinen in einer anderen Stadt wohnten, sonst bekäme sie nie einen Ehemann ab.




Buss hat für ihre Arbeit, die übrigens noch nicht abgeschlossen ist, zuerst ausschliesslich Frauen befragt – später aber auch Männer gesucht, die etwas über ihren Körper zu berichten haben. Dazu startete sie einen Aufruf auf Facebook; es kamen überraschend viele Rückmeldungen.




Die gesammelten Geschichten und Porträts sind intim, aber erstaunlich offenherzig. Und mutig: Dass Leute ihre körperlichen Makel herzeigen, ist in Zeiten omnipräsenter Hochglanz-Beauty-Fotos äusserst erfrischend.
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