Krimi der WocheIhre Spezialität sind Morde mit einem vergifteten Messer
Wie altert man als Auftragsmörderin? Die Autorin Gu Byeong-mo liefert in «Frau mit Messer» hochkarätige und scharfsichtige Kriminalliteratur aus Korea.

Der erste Satz
So fühlt es sich in der U-Bahn an einem Freitagabend an: Die Körper haften wie Mollusken aneinander, sodass man dankbar ist, sich überhaupt noch irgendwo dazwischenschieben zu können.
Das Buch
Keine Ahnung, ob es in Südkorea tatsächlich eine florierende Auftragsmörderbranche gibt. Die Kriminalromane, die das so darstellen, sind jedoch höchst faszinierend. Etwa «Aufzeichnungen eines Serienmörders» von Kim Young-ha (2020, Cass-Verlag) über einen an Alzheimer leidenden Killer und «Die Plotter» von Un-su Kim (2018, Europa-Verlag) über Planer von Auftragsmorden.
Letzteren nennt die südkoreanische Autorin Gu Byeong-mo als Inspiration für ihren jetzt auf Deutsch erschienenen Roman «Frau mit Messer». Tatsächlich vermitteln auch hier Agenturen Auftragskiller. Dass die Mörderin eine alternde Frau ist, die an ihrer weiteren Eignung für ihren Job als «Schädlingsbekämpfungsspezialistin» zu zweifeln beginnt, erinnert auch etwas an den dementen Mörder.
Ihre Spezialität sind Morde mit einem Messer, das mit einem schnell tötenden Gift bestrichen ist. Sie ist vielleicht nicht mehr so schnell wie früher, für ihre 65 Jahre aber immer noch gut in ihrem Beruf. Eine ältere, unauffällige Frau zu sein, hat auch Vorteile: «Weil sie so normal wirkt und sich so verhält, wie die Gesellschaft es von ihr erwartet, fliegt sie unter dem Radar.»
Eindrücklich zeichnet Gu Byeong-mo das Bild einer Gesellschaft, in der sich eine Frau aus armen Kreisen hocharbeitet.
Nach einem fast schiefgelaufenen Job und einer Verletzung, die von einem jungen Arzt selbstlos behandelt wurde, beginnen Zweifel an ihr zu nagen, ob sie noch rüstig genug sei. Zudem beginnt sie Empathie und Mitleid für Mitmenschen zu spüren. Obwohl sie doch «die ganze Zeit ganz gut ohne das alles gelebt und tatsächlich nur deswegen überlebt hat, weil solche Gefühle in ihr abgestumpft sind».
Gleichzeitig beginnt ein junger Kollege in der Agentur, der sie immer mal wieder als «Oma» gefoppt hat, ihr nachzustellen. Sie versteht nicht, was er von ihr will. Doch er verfolgt sie aus ganz persönlichen Gründen. Und die Situation wird für sie bedrohlich.
Eindrücklich zeichnet Gu Byeong-mo das Bild einer Gesellschaft, in der sich eine Frau aus armen Kreisen hocharbeitet, indem sie Mächtigen und Reichen ihre Widersacher oder einfach Störenfriede aus dem Weg räumt. Aber was hat ihr das gebracht? «Sie hat ihr Leben nie mit irgendjemand geteilt – obwohl es im Grunde nicht ganz korrekt ausgedrückt ist, es als Leben zu bezeichnen, es ging vielmehr um blosses Lebendigsein.»
«Frau mit Messer» ist ein neues Beispiel für hochkarätige und scharfsichtige Kriminalliteratur aus Korea. Schade, dass die deutsche Fassung aus der englischen Übersetzung und nicht aus dem koreanischen Original übertragen wurde. Denn man weiss, dass jede Übersetzung einen Text verändert. Und dass eine Übersetzung der Übersetzung manche Finesse plättet.
Die Wertung
Originalität: ★★★★★
Spannung: ★★★☆☆
Realismus: ★★☆☆☆
Humor: ★★★☆☆
Gesamteindruck: ★★★★☆
Die Autorin

Gu Byeong-mo ist das Pseudonym der 1976 in Seoul, Südkorea, geborenen Jeong Yu-gyeong. Sie studierte an der Kyung Hee University in ihrer Heimatstadt Koreanische Literatur. Danach arbeitete sie als Lektorin in einem Verlag.
Ihr erster Roman «Wizard Bakery» wurde 2009 zu einem Bestseller und mit dem zweiten Changbi-Preis für Jugendliteratur ausgezeichnet. Sie hat inzwischen rund ein Dutzend Bücher veröffentlicht. Eine Kurzgeschichtensammlung von 2015 wurde mit zwei Literaturpreisen geehrt.

Die Kolumne «Krimi der Woche» von Hanspeter Eggenberger erscheint noch bis Ende Jahr an dieser Stelle. Wer sie weiterhin lesen will, findet sie unter Krimikritik.com.
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