Im Kopf des Terrorfürsten
Die USA konnten bei der Kommandoaktion ein Tagebuch des Terrorführers sicherstellen. Darin offenbart sich seine Fixierung auf US-Anschlagsziele und eine Organisationsstruktur ähnlich der Mafia.

Bei der Erstürmung des Anwesens Bin Ladens haben US-Spezialkräfte ein Notizbuch gefunden, in dem der Al-Qaida-Chef Strategien und Beobachtungen für sein Terrornetzwerk handschriftlich festhielt. Aus diesem Tagebuch und anderen beschlagnahmten Daten offenbart sich Bin Ladens Fixierung auf Anschlagsziele in den USA.
Osama Bin Laden sei zum Schluss gekommen, dass nur ein Terroranschlag im Ausmass des 11. Septembers 2001 die USA zu einem Umdenken in ihrer Nahost-Politik führen würde, wie ein amerikanischer Offizieller der Nachrichtenagentur AP berichtet. Kleinere regionale Anschläge in Ländern ausserhalb der USA waren für Bin Laden wenig Erfolg versprechend.
Die Angriffe sollten an symbolisch wichtigen Tagen wie dem amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli oder am 10. Jahrestag der Anschläge vom 11. September stattfinden. Tausende von Opfern aufs Mal bedürfe es, um einen gewünschten Effekt zu erzielen, folgerte Bin Laden. Zugleich befürwortete er Angriffe auf verschiedene US-Städte und Züge. Al-Qaida dürfe sich nicht allein auf New York konzentrieren. So nennt er Los Angeles als ein mögliches Terrorziel.
Anweisungen aus dem Versteck
Die handgeschriebenen Notizen und gesicherten Computerdaten zeichnen ein Bild eines Terrorführers, der mehr als eine Symbolfigur für seine Organisation war. «Bin Laden funktionierte wie ein Gangsterboss, der die Fäden aus seiner Gefängniszelle aus zog, indem er seinen Vertrauensleuten regelmässig strategische Ratschläge zukommen liess», schreibt die «Washington Post».
Sein Fokus lag auf allgemeinen Anweisungen. Von Bin Laden seien kaum Befehle für konkrete Anschläge ausgegangen, aber praktisch bei jedem grösseren Anschlag der vergangenen Jahre habe Bin Laden irgendwie seine Hände im Spiel gehabt, schreibt die Nachrichtenagentur AP.
Kommunikation über USB-Sticks
Die Kommunikation erfolgte über auf Wechseldatenträgern gespeicherte Nachrichten. Kuriere brachten die Speichermedien zu Bin Laden. Ein langsamer, aber schwer zu überwachender Kommunikationsweg.
Bin Ladens Tagebuch offenbare zudem Denkweisen des Al-Qaida-Chefs. «Bin Laden wurde faul und selbstgefällig», zitiert die «Washington Post» einen Offiziellen. Der Terrorführer hätte wohl nie gedacht, dass er seinen «Schöpfer» irgendwann einmal in seinem Versteck in Abbottabad antreffen würde. Ausserdem habe er schlichtweg keine Vorbereitungen getroffen, um die vielen Daten zu vernichten.
Uneinigkeit bei der al-Qaida
Die ausgewerteten Daten zeigen gleichzeitig, dass Bin Ladens Fokus auf die USA und den Westen nicht allen Mitgliedern seines Terrornetzwerks behagte. Während viele Al-Qaida-Führer ihre Loyalität gegenüber Bin Laden beteuerten, seien andere gemäss der «Washington Post» mehr mit regionalen Angelegenheiten beschäftigt gewesen und hätten gar kein Interesse an einem Angriff gehabt, der womöglich eine militärische Reaktion der USA hervorrufen könnte.
Bei der nächtlichen Kommandoaktion in Bin Ladens Unterschlupf hatte das US-Sonderkommando über 100 Computer, Festplatten und andere Speichermedien sichergestellt. Die CIA ist daran, das reichhaltige Material auszuwerten. Bislang haben sich die Zuständigen anhand von Stichwörtern einen Überblick über die Daten verschafft.
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