Im Schatten der Chefin
Das Wasser im schwedischen Nationalpark Stora Sjöfallet ist längst gezähmt. Trotzdem dominiert hier ursprüngliche Natur.

Akka ist die Chefin. Nicht nur in der berühmten Geschichte der Schriftstellerin Selma Lagerlöf rund um Nils Holgersson, in der die alte, ehrwürdige Gans einen Schwarm Federvieh durch Schweden führt. Auch hier, am Südufer des Akkajaure, beherrscht Akka die Szenerie: ein schön geformter Berg, mit dem Stortoppen (2015 Meter über Meer). In Akkas Reich ist vor rund einem Jahrhundert eingebrochen worden, als man die Seen und Flüsse im Grenzgebirge zwischen Schweden und Norwegen für die Wasserkraft entdeckte. «Der Nationalpark Stora Sjöfallet ist mehr als 100 Jahre alt», sagt Thomas Brandlöv, der am südöstlichen Ende des Nationalparks das gleichnamige Fjällhotel betreibt. Der Stuor Muorkkegårttje, wie der grosse Wasserfall auf Samisch heisst, war zunächst ein wichtiger Grund, das Gebiet zu schützen.
1919 wurde auf Beschluss des Reichstags das Naturschauspiel aus dem Schutzgebiet herausgenommen, um den Bau eines Wasserkraftwerks zu ermöglichen. Das Wasser des Akkajaure und seine Zuflüsse strömen heute zu grossen Teilen über im Fels versteckte Schaufeln von gewaltigen Turbinen und nicht mehr über die Felsbarriere am Ende des Gewässers.
Mit dem Boot bringt Emil uns zum ehemals grossen Wasserfall. Zwei Kormorane sitzen auf Felsen, hinter ihnen plätschert Wasser über kleine Stufen. «Hier strömte einst der Fluss hinunter», erzählt der Guide. Es ist immer noch ein hübscher Anblick. Wir machen am Ufer fest, umrunden einige Birken, balancieren über Steine – und blicken auf einen kleinen See, in dessen Ende ein silbernes Band taucht. Der Stora Sjöfallet ist heute deutlich kleiner, aber immer noch ein lohnendes Ziel für eine Wanderung. Über uns kreist ein Seeadler, ansonsten würden hier Rentiere und Elche leben, auch Luchse, Vielfrasse und sogar Bären, erzählt Emil.
Samen weiden im Gebiet Rentiere
Dessert und Kaffee beschliessen später das Abendessen im Fjällhotel. Im Westen bricht über den Gipfeln immer wieder die Sonne durch die Wolken und verursacht Lichtspiele, die sich in die Erinnerung brennen wie Laserstrahlen auf eine DVD. Mit dem Auto geht es ein paar Kilometer den See entlang nach Westen. Wir spazieren am Ufer durch ein Gebiet, das seit knapp 20 Jahren zum Welterbe der Unesco gehört. Seine Fläche ist grösser als jene Korsikas und schliesst die Nationalparks Muddus, Sarek, Padjelanta und Stora Sjöfallet sowie einige Naturreservate ein. Die Lebensräume reichen von Nadelwäldern mit Fichten und Kiefern über höher liegende Birkenwälder bis zur subarktischen Bergtundra mit Gräsern, Moosen und Zwergsträuchern sowie extremen Regionen, in denen an den Felsen nur noch Flechten wachsen.
Samen weiden in diesem Gebiet seit Jahrhunderten ihre Rentiere und betreiben Fischfang. «Allein um die Fjällanlage Stora Sjöfallet gibt es rund 1000 Rentiere», hatte Thomas Brandlöv am Abend zuvor erzählt. Mit etwas Glück sieht man nicht nur die Vierbeiner mit den knacksenden Gelenken, sondern auch die Umzäunungen, in denen sie zusammengetrieben werden, und die Schutzhütten der Rentierzüchter. «Die dürfen die Samen überall bauen, wo sie notwendig sind», hatte der Schwede ergänzt.
Am Nachmittag fahren wir nach Gällivare zurück. «Ihr habt genügend Zeit für eine Wanderung», sagt Thomas und schlägt eine Tour in das Soldalen vor, ins Sonnental. Er bringt uns auf einem Schotterweg ein Stückchen nach oben und weist die Richtung. «Haltet euch einfach an den Bach, ihr könnt euch nicht verlaufen», sagt er schmunzelnd und braust davon. Üppig wächst hier das Gras, hüfthoch wuchern Blumen, von denen manche gelbe oder lilafarbene Blüten tragen. Nach bequemem Beginn geht es nun steiler bergauf. Bald ist die Baumgrenze erreicht. Ein leichter Windhauch kühlt die glühenden Gesichter. Zeit für eine Pause.
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Die Reise wurde unterstützt von Visit Schweden.
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