Im Zeitraffer: Monsterkran hebt eine Brücke in die Luft
Ein 750-Tonnen-Kran mit einer gruseligen Vorgeschichte liess 100-Tonnen-Betonstücke über die Wehntalerstrasse schweben.
Der Kran ist gigantisch, die Vorbereitungen sind akribisch. Während der Verkehr durch den Gubristtunnel wie fast immer dicht an dicht rollt, wurde gestern Nacht zwischen 21 und 4 Uhr ein Teil der Autobahnbrücke über die Wehntalerstrasse rückgebaut – «das Wort Abbrechen brauchen wir in unserem Job nicht», sagt Chefbauleiter Erich Frach.
Der 750-Tonnen-Liebherr-Kran ist schon von weitem zu sehen. Er hat einen 84 Meter langen Ausleger und einen 40 Meter langen Derrick. Dieser nach hinten gerichtete Ausleger dient dazu, die Zugräfte der Gegengewichte aufzunehmen.
Ein königlicher Henker als Namensgeber
Benannt ist diese Ausleger nach dem königlichen Henker Thomas Derrick, der um 1600 in London 3000 Personen sehr effizient hängte, indem er eine ähnliche Konstruktion statt des simplen Galgens erfand, wie sie heute für Krane gebaut werden.
Der Nordring zwischen Gubrist und Zürich Nord wird in den nächsten Jahren von vier auf sechs Spuren ausgebaut. Deshalb müssen alle Brücken erneuert werden. Eine besondere Knacknuss ist die Brücke über die Wehntalerstrasse direkt nach dem Gubristtunnel. Weil der Verkehr auf immer mindestens vier Spuren rollen muss – das Verkehrschaos wäre sonst programmiert –, geschieht die Erneuerung etappenweise. Bis im nächsten Frühling ist der Brückenteil für die Autobahnspuren Richtung Bern/Basel an der Reihe. Die Brücke wurden mit einer diamantbestückten Seilfräse in sechs je 100 Tonnen schwere Teile zerlegt und durch zusätzliche Träger provisorisch abgestützt.
40 Lastwagen nur für den Kran
Ab Sonntag ab 21 Uhr nahm der Derrickkran mit der grusligen Vorgeschichte seine Arbeit auf. 40 Lastwagenfahrten waren nötig, um das 750-Tonnen-Monster aufzubauen. Weil der Untergrund neben dem Katzensee aus Torf und Sand besteht, musste zuerst der Untergrund vorbereitet werden. Zuunterst kam eine vier Meter dicke Schicht aus umweltverträglichem Bindemittel – «veganer Beton», wie die Bauarbeiter leicht spöttisch sagen. Das nahe Naturschutzgebiet darf nicht beeinträchtigt werden. Dann wurden je eine 30 Zentimeter dicke Holz- und eine Stahlmatratze eingebaut, damit der Kran ja nicht einbricht.
Ein 100 Tonnen schweres Betonstück zu heben, ist eine Wissenschaft. 21:10 Uhr: Der Kranführer spannt sukzessive die vier daumendicken Stahlseile bis zu 90 Prozent der Gesamtlast. Gleichzeit befestigen die Spezialisten hinter dem Kran 350 Tonnen Gegengewichte. Würden diese Gewichte gleich zu Beginn befestigt, «würde der Kran einen Rückwärtssalto machen», wie Erich Frach sagt. Um 21.10 Uhr wird der Verkehr gestoppt, und all die Badegäste, die zu Fuss vom Katzensee zurückkommen, müssen 40 Minuten warten, bis sie die Autobahn wieder unterqueren dürfen. Immerhin dürfen sie an diesem lauen Sommerabend ein Spektakel aus nächster Nähe verfolgen.
So langsam wie eine Kirchturmuhr
Ein Geometer überwacht mit einem Theodoliten, dass sich der Kran unter der Last nicht neigt. Nach 10 Minuten erhält der Kranführer die Erlaubnis zum Anheben. Um 21.25 Uhr bewegt sich die Brücke, bald schwebt sie vier Meter höher als die Autobahn, der Kran dreht so langsam wie der Zeiger einer Kirchenuhr ab. Der Ausleger bewegt sich näher zur Drehachse des Krans, damit die Gewichte abgehängt werden können. Um 21.55 Uhr ist die Wehntalerstrasse wieder offen, der 100-Tonnen-Brückenteil wird sanft auf Betonblöcke abgestellt.
Im März hat der grösste Raupenkran der Schweiz die 170 Tonnen schwere Schönenwerdbrücke in Dietikon ausgehoben.
Eine Brücke verschwindet: Die alte Schönenwerdbrücke in Dietikon wird in die Luft gehoben. Video: Tamedia/SDA (Archiv)
Um Mitternacht beginnt das gleiche Prozedere mit Brückenteil Nummer zwei. Bereits am Montagmorgen werden die beiden Brückenfragmente mit einem kräftigen Bagger zerschnitten, später pulversiert und in Mulden abtransportiert. In den Nächten auf Dienstag und Mittag wird der gleiche Prozess mit den Brückenteilen drei bis sechs wiederholt. In den nächsten Monaten wird die Böschung verbreitert und eine neue vierspurige Brücke gebaut. Sobald diese fertig ist, fliesst der Verkehr auf der neuen Brücke, und die beiden anderen Brücken werden neu gebaut. Gleichzeitig wird auch die Brücke über die Autobahn nach einem ähnlichen Plan erneuert.
Erst 2026 ist die Nordumfahrung ausgebaut
«Ende 2025» ist das grosse Ziel von Ulrich Weidmann, Gesamtprojektleiter Nordumfahrung des Bundesamts für Strassen. Bis dann soll der Ausbau der Nordumfahrung zwischen Limmattaler Kreuz und Zürich Nord abgeschlossen sein. Im Spätherbst starten die Sprengungen für die neue Dreispurröhre durch den Gubrist, die den Verkehr Richtung Bern und Basel aufnehmen soll. Ein breiter Einschnitt ist im Tagbau bereits vollendet. Der 3,2 Kilometer lange Tunnel wird im Sprengvortrieb mit rund 4200 einzelnen Sprengungen gebaut. Sprengen soll in diesem Fall kostengünstiger sein als Bohren.
Sobald dies neue Röhre offen ist, voraussichtlich 2022, werden die zwei alten nacheinander saniert. Erst ab Ende 2025 hat die Nordumfahrung die volle Kapazität. 1,55 Milliarden Franken sind für Ausbau und Instandsetzungen budgetiert. 125 000 Autos werden dann täglich den Nordring befahren. Und der berüchtigte Gubriststau, der früher vor dem Baregg in Baden steckte, wird sich dann wohl in Richtung Umfahrung Winterthur weiterbewegen.
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