
Der amerikanische Historiker Edward Luttwak hat kürzlich in einem Interview mit dem «Wall Street Journal» an eine historische Gesetzmässigkeit erinnert: Bevor ein Regime stürze, mache es sich lächerlich, sagte er sinngemäss. Und er beschrieb, wie der Niedergang der Sowjetunion schon zu erkennen war, als das Politbüro 1984 den gebrechlichen, senilen Tschernenko zu seinem Vorsitzenden machte. Der arme Mann konnte kaum mehr gehen, noch einen geraden Satz aussprechen. Tschernenko «hatte nie etwas erreicht. Sein Name stand für nichts.» Trotzdem stellten sich alle Männer des Politbüros, die meisten ebenfalls steinalt, vor die Kamera und priesen den neuen Chef mit einer Begeisterung, «als ob sie gerade ein neunzehnjähriges Mädchen im Bikini dabei beobachtet hätten, wie es aus dem Wasser steigt». Was soll das?, fragten sich die Sowjetbürger. Ist das ein Regime, vor dem wir uns in Acht nehmen müssen? Ein Jahr später starb der neue Chef schon wieder, und weil das so peinlich war, wählte man nun Gorbatschow, einen 54-Jährigen, der am Ende die Sowjetunion in die Luft sprengen sollte – wenn auch unbeabsichtigt.
Kolumne Markus Somm – Imperium der Masken
China kann dem Westen nicht als Vorbild dienen. Das Land sollte von uns lernen – nicht umgekehrt.