
Da reibt man sich erstaunt die Augen. Gerade noch haben uns die Politikerinnen und Politiker von links bis rechts, mit Ausnahme derer von der SVP, erklärt, ein Rahmenabkommen mit der EU sei von grösster Wichtigkeit für die Schweizer Wirtschaft und absolut zentral für die Beziehungen zur EU. Horrorszenarien wurden an die Wand gemalt, die gleichwertige Anerkennung der Schweizer Börse mit den Handelsplätzen in Frankfurt und Paris als überlebenswichtig für unsere Wirtschaft dargestellt.
Und nun also dies: Der Präsident und die Präsidentin der grössten europafreundlichen Parteien, der SP und der FDP, fordern einen Übungsabbruch mit Neustart – allenfalls nach den Wahlen im nächsten Jahr. Und das offiziell wegen der Frage, ob es bei Kontrollen auf dem Bau nun acht Tage Wartezeit brauche oder nicht. Das ist, mit Verlaub, völlig unglaubwürdig. Denn wichtig beim Rahmenabkommen ist und bleibt der Souveränitätsverlust wegen der automatischen Übernahme von EU-Recht. Dass die flankierenden Massnahmen, offiziell eingeführt, um die Löhne der Schweizer Handwerker zu schützen, der EU ein Dorn im Auge sind, das wusste man immer.
«Das Platzen der Verhandlungen nützt beiden Parteien.»
Auch ist es ein Fakt, dass die ganze Bürokratie beim grenzüberschreitenden Einsatz von Handwerkern in Wahrheit der Abwehr der Konkurrenz aus den Nachbarländern dient, also rein protektionistisch ist. Das gibt hinter vorgehaltener Hand auch jeder zu. Zu gross sind die Lohnunterschiede, als dass man ohne beträchtlichen Schaden für das Gewerbe auf bürokratische Hindernisse verzichten könnte. Trotzdem wurden die Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen aufgenommen und nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im letzten Herbst sogar noch beschleunigt. Die FDP, noch vor Jahresfrist kaum interessiert an einem Abschluss, wurde plötzlich zur glühenden Anhängerin einer Einigung mit Brüssel. Die SP gab sich verantwortungsbewusst wirtschaftsfreundlich und machte mit.
Die Genossen hofften offenbar auf Gegengeschäfte mit den Arbeitgebern, die sie jetzt aber nicht bekommen haben. Offenbar schätzt man in der Wirtschaft im Moment den möglichen Schaden von EU-Strafmassnahmen als nicht mehr allzu gross ein und bleibt darum hart. Wenn der Plan aufgeht und sich das ungeliebte Rahmenabkommen ein weiteres Mal für ein, zwei Jahre verzögern lässt, dann nützt das Platzen der Verhandlungen natürlich beiden Parteien. Denn die SVP hat sich bereits darauf gefreut, bei den Wahlen im nächsten Jahr das Thema gross auszuschlachten.
Das ist nun voraussichtlich vom Tisch. Voraussichtlich darum, weil die Schauspieler beim Berner Sommertheater offensichtlich davon ausgehen, dass Brüssel mitspielt und keine allzu harten Gegenmassnahmen ergreift. Wenn es anders kommt und die EU hart spielt, dann wird man noch diesen Herbst plötzlich kompromissbereite Politiker von links bis rechts erleben, und all die Aussagen, die heute gemacht werden, sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.
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In Bern wird ein riskantes Sommertheater gespielt
Warum das Platzen des ungeliebten Rahmenabkommens links und rechts nützt.