In der Hölle von Lagos
Der Zürcher Matthias Gnehm widmet sich im Comic «Salzhunger» der globalen Rohstoffjagd.

Das fängt nicht gut an. Rauch, Schüsse, Explosionen. Wir sehen klaffende Krater in der Erde, dazu der Schriftzug: «Krieg um Rohstoffe». Es sind Ausschnitte aus einem unfertigen Dokumentarfilm, den der fiktive Arno Beder einfach nicht fertigkriegt. Der junge Mann hat gerade sein Studium abgeschlossen, wurde dann aber von seiner Freundin verlassen und ist jetzt in einem lethargischen Zustand gefangen. Nicht mal mehr schlafen geht. Die WG-Kollegen in Zürich wissen auch nicht weiter.
Mit der Graphic Novel «Salzhunger» hat sich der 48-jährige Matthias Gnehm einen brandaktuellen Stoff vorgenommen. Es geht um einen, der die Welt verändern will und doch schon weiss, dass da nichts mehr geht – nicht in ihm, nicht in der Welt. Die globale Wirtschaft wird von Firmen dominiert, die für ihre Interessen im Rohstoffreservoir Afrika über Leichen gehen.

Die Reise führt dann von Zürich nach Nigeria. Nachdem sich Arno der Umweltaktivistin Paula angeschlossen hat, versuchen sie in Lagos zusammen mit dem einheimischen Blogger Anthony Beweise gegen den Ölmulti Boromondo zu sammeln, der umweltschädliche Praktiken anwendet und die Slums im Hafen von Lagos mit Polizeigewalt räumen lässt. Aber kaum ist das Trio an einen Tropfen des flüssigen Drecks gekommen, der illegal entsorgt werden soll, steht man selber unter Beschuss: Entführung, Folter, Desinformation und Erpressung sind die Folge.
Man könnte meinen, der Comic sei aus einem Ölfass gezogen worden
Der Zürcher Matthias Gnehm hat für diese explosive Geschichte ausführlich recherchiert, er weiss, wie das Öl fliesst: Was hochwertig ist, wird nach Europa verschifft, das mindere Zeug bleibt in Nigeria. «Salzhunger», die Comicvision des gelernten Architekten, ist einmal mehr von ausgesuchter Abgründigkeit. Wir sehen eine Welt in schmierigem Blaugrau, in der vereinzelte gelbe Farbkleckse auftauchen, und man könnte meinen, der Broschurband sei direkt aus einem Ölfass gezogen worden. Die Figuren wirken realistisch und verfremdet zugleich. Expressiver gehts kaum.
Nicht ganz so gut funktioniert die Erzählebene. Angesichts des komplexen Themas (Ausbeutung von Rohstoffen, Ausbeutung von sich selbst) wäre es wohl angebracht gewesen, nicht alle Hintergrundinformationen in Sprechblasen zu packen. Das macht den Krimi schwerfälliger, das Finale verwirrender als nötig. Dabei wären die Bilder verstörend genug. Etwa in jener Sequenz, als der CEO der Rohstoffhandelsfirma in seinem Luxushotel von schwarzen Girls verwöhnt wird, während er mit dem Feldstecher auf die Hafenslums späht, die er später räumen lässt. Da bringt Gnehm in kurzen, fast wortlosen Panels alles, was es zum Thema Turbokapitalismus zu sagen gibt, auf den Punkt.
Matthias Gnehm: Salzhunger. Edition Moderne, Zürich 2019. 220 S., ca. 42 Fr.
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