«Die Kosten tragen die Kunden»
Dieter Zümpel, Chef von DER Touristik Suisse, über die Rückholaktion aus dem Ausland und die Krise der Branche.

Herr Zümpel, wie viele Schweizerinnen und Schweizer sind zurzeit noch imAusland und wissen nicht, ob und wie sie nach Hause kommen?
Die Schätzung des EDA lag vor wenigen Tagen bei mehreren 10'000 Schweizerinnen und Schweizern, die sich noch im Ausland befanden. Zwar nimmt diese Zahl kontinuierlich und rasch ab, und bei unseren verbliebenen Kunden zeichnet sich in fast allen Fällen eine Lösung ab. Die vom EDA und der Fluggesellschaft Edelweiss angekündigten Sonderflüge sind aber wichtig, weil das reguläre Flugangebot rapide abnimmt.
Wie stark arbeiten Sie bei dieser Rückrufaktion mit anderen Reiseveranstaltern zusammen?
Wir stehen seit geraumer Zeit in engem Kontakt mit anderen Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften und Reisebüros unter dem Dach des Schweizer Reiseverbandes, damit unsere gemeinsamen Bemühungen für Kunden im Ausland möglichst koordiniert und erfolgreich verlaufen. Auch mit dem EDA steht die Branche im täglichen Austausch.
Inwiefern gibt es Probleme mit Ländern, wo die Kunden gestrandet sind – etwa bei Ausgangssperren oder geschlossenen Flughäfen?
Die dynamische Entwicklung macht die Organisation alternativer Rückreisemöglichkeiten für unsere Kunden tatsächlich sehr anspruchsvoll. Wir sind aber mit allen Kräften bemüht, für jeden Kunden eine Lösung zu finden. In den allermeisten Fällen gelingt uns das auch.
«Anfallende Kosten für ausserordentliche Rückreisen tragen die Kunden.»
Sind Ihnen Schicksale bekannt, bei denen Sie als Veranstalter nichts unternehmen können?
Nach allem, was wir derzeit wissen, sind alle zurückgekehrten und sich noch in den Zielgebieten aufhaltenden Kunden bei guter Gesundheit. In Einzelfällen ist eine kurzfristige Rückreise in die Schweiz nicht möglich. Zum Beispiel dürfen einige Kreuzfahrtschiffe nicht anlegen, oder örtliche Behörden haben Quarantäne-Massnahmen angeordnet. Das ist unangenehm, aber nach meinem Verständnis noch kein menschliches Schicksal – zumal auch diesen Kunden durch Behörden und unsere Branche bestmögliche Unterstützung angeboten wird.
Welche Summen werden hier ausserordentlich von der Reisebranche investiert?
Anfallende Kosten für ausserordentliche Rückreisen tragen die Kunden. Das entspricht der geltenden Rechtsprechung und wurde vom Bundesrat auch klar kommuniziert. Die Schweizer Reisebranche leistet gleichwohl auch aus finanzieller Sicht Enormes zur Bewältigung der Herausforderungen durch das Coronavirus. Die anspruchsvolle und aufwendige Organisation alternativer Rückreisen im Sinne der Verordnung der Regierung erledigen wir praktisch ohne Entschädigung. Noch mehr ins Gewicht fallen allerdings die umfangreichen Rückerstattungen an Kunden für bereits gebuchte, aber nicht mehr durchführbare Pauschalreisen. In diesem Zusammenhang appelliere ich an die Fluggesellschaften, diese finanzielle Belastung gemeinsam mit uns zu tragen.
Was übernimmt der Bund von diesen Kosten?
Nach meinen derzeitigen Informationen leistet der Bund für ausserordentlicheRückführungsflüge eine Vorfinanzierung, nimmt anschliessend aber eineWeiterverrechnung an die Kunden vor. Wie hoch die Kosten am Ende ausfallenwerden, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhergesagt werden.
Wie lange kann die Reisebranche die aktuelle Situation wirtschaftlich tragen?
Das hängt davon ab, wie lange das weltweite Touristikangebot zum Erliegen kommen wird. Aber noch mehr, inwiefern der Appell unserer Branche an den Bund Gehör finden wird. Eine unserer gemeinsamen Forderungen lautet, dass die Kompensation für nicht mehr durchführbare Reisen mit Gutscheinen geregelt werden kann, die zur Sicherheit unserer Kunden mit einer Staatsgarantie versehen werden.
Wird das reichen, um Entlassungswellen zu vermeiden?
Nein. Nicht nur grosse Veranstalter, sondern auch die vielen inhabergeführten Reisebüros in der Schweiz brauchen zusätzliche Unterstützung. Ich denke zum Beispiel an die Kurzarbeit sowohl für Angestellte als auch Reisebüroinhaber, und zwar so lange, wie es für unser Geschäft weder ein Angebot noch eine Nachfrage gibt. Zum Glück hat der Bundesrat am Freitag die ersten Massnahmen in diese Richtung beschlossen.
«Wir sitzen alle im gleichen Boot, dessen Kurs wir zurzeit nicht kennen.»
Unzähligen Airlines geht die Luft aus. Es wird wohl zu einer Konkurswelle kommen. Was bedeutet das für die Zukunft des Reisens?
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlichtweg nicht absehbar, wie lange die aktuelle Situation andauern und welche Folgen sie für die gesamte Reiseindustrie haben wird. Fluggesellschaften, Reiseveranstalter, Hotels, Reisebüros und andere Leistungserbringer unserer Branche sitzen alle im gleichen Boot, dessen Kurs wir zurzeit nicht kennen. Ich bin aber nicht bereit, meine Zuversicht aufzugeben.
Werden Flugreisen auf Jahre hinaus kein Thema mehr sein?
Dies halte ich für ausgesprochen unwahrscheinlich. Reisen wird meiner Überzeugung nach in absehbarer Zeit wieder möglich sein, und ich rechne dann sogar mit einem Nachholeffekt.
Thema Klimawandel: Sind die Diskussionen darüber ab sofort erledigt, weil die Natur das Thema gleich selbst erledigt?
Keine Frage, die Natur zeigt dem Menschen seine Grenzen auf. Das stimmt mich nachdenklich. Doch der Klimawandel und das Coronavirus verdienen eine jeweils eigene Bewertung. Wir müssen jetzt mit voller Kraft gemeinsam die Corona-Krise bewältigen, verlieren aber auch das Thema Klimaschutz nicht aus den Augen.
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