Versuch, die Proteste einzudämmenIn mehreren Regionen Perus gilt der Ausnahmezustand
Der zunächst 30 Tage geltende Ausnahmezustand, erlaubt unter anderem das Eingreifen der Armee, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.
Die peruanische Regierung hat wegen der anhaltenden Proteste gegen sie den Notstand in der Hauptstadt Lima und drei weiteren Regionen im Süden des Landes ausgerufen. Der zunächst 30 Tage geltende Ausnahmezustand, der mit der Veröffentlichung im Amtsblatt am Samstagabend in Kraft trat, erlaubt unter anderem das Eingreifen der Armee, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Perus umstrittene Präsidentin Dina Boluarte wies Rücktrittsforderungen der Demonstranten zurück.
Mit dem Notstandsdekret werden in den betroffenen Regionen Lima, Cusco, Callao und Puno mehrere verfassungsmässige Rechte ausgesetzt, so etwa die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit. Am Sonntag behinderten nach Behördenangaben noch mehr als 100 Strassensperren den Verkehr in Peru. Betroffen waren elf der 25 Regionen Perus, vor allem im Süden des Landes, aber auch in der Umgebung von Lima.
In der südlichen Region Arequipa blockierten Dutzende Menschen die Autobahn Panamericana Sur. Der Flughafen von Cusco nahe der Touristenhochburg Machu Picchu wurde dagegen am Samstag wieder geöffnet. Die Behörden hatten den Flugbetrieb zwei Tage zuvor wegen der Proteste ausgesetzt. Am Sonntag wurde auch der Zugverkehr in die weltberühmte Ruinenstadt wieder aufgenommen.
Seit Amtsenthebung Castillos fordern Demonstranten Neuwahlen
Peru wird seit der Amtsenthebung und Verhaftung des linksgerichteten Präsidenten Pedro Castillo am 7. Dezember von Unruhen erschüttert. Die Demonstranten fordern den Rücktritt seiner Nachfolgerin Boluarte und die Auflösung des Parlaments, um unverzüglich Neuwahlen abzuhalten.
«Gewalttätige und radikale Gruppen» forderten ihren Rücktritt und stürzten «die Bevölkerung in Chaos, Unordnung und Zerstörung», sagte Boluarte am Freitagabend in einer Fernsehansprache zu den Protesten. Sie ergänzte: «Ihnen sage ich verantwortungsvoll: Ich werde nicht zurücktreten, mein Engagement gilt Peru.»
Boluarte war vor Castillos Amtsenthebung dessen Vizepräsidentin – und trat gemäss der peruanischen Verfassung seine Nchfolge an. Boluarte gehört derselben linken Partei an wie Castillo. Demonstranten sehen in ihr indes eine «Verräterin».
Mehr als 40 Tote und über 500 Verletzte
Bei den Protesten in Peru sind bislang mindestens 42 Menschen getötet worden. Mindestens 531 Menschen wurden verletzt, darunter 176 Polizisten. Bei einer Messe in der Kathedrale von Lima wurde am Sonntag der Todesopfer gedacht. 329 Menschen wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft festgenommen.
Die peruanische Polizei gab am Freitag zudem die Festnahme der Gewerkschaftsführerin Rocío Leandro aus der südlichen Region Ayacucho bekannt. Ihr werden Kontakte zu Rebellen der maoistischen Guerillaorganisation leuchtender Pfad zur Last gelegt. Zudem soll sie die gegenwärtigen Proteste gegen die Regierung mitfinanziert und Demonstranten rekrutiert haben.
Am Freitag waren Perus Innenminister Víctor Rojas und Frauenministerin Grecia Rojas zurückgetreten. Den Innenminister ersetzte Boluarte durch Vicente Romero, einen hochrangigen Polizeibeamten im Ruhestand. Zur neuen Frauenministerin wurde Nancy Tolentino ernannt. Auch der neue Arbeitsminister Luis Alfonso Adrianzén legte seinen Amtseid ab. Sein Vorgänger Eduardo García war am Donnerstag wegen des Umgangs der Regierung mit den Protesten zurückgetreten.
Die interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IAKMR) fordert eine Untersuchung der Niederschlagung der Proteste, da es Hinweise auf «exzessive Gewaltanwendung» gebe.
AFP/sys
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