Film-Highlights der WocheIn «Men» werden Ferien zum Horror
«Il buco» erzählt von Höhlenforschern in den 60ern, und «Flee» schildert in animierten Bildern die Geschichte eines Geflüchteten aus Afghanistan.

Men
Horror von Alex Garland, USA 2022, 100 Min.
Wie zuletzt «Last Night in Soho», so ist auch «Men» ein Horrorfilm darüber, was Männer Frauen antun. Im Zentrum steht Harper (Jessie Buckley), die mit ihrem Ehemann in London lebt. Nachdem sie ihm gesagt hat, dass sie die Scheidung wolle, stürzt er zu Tode. War es ein Unfall oder Suizid? Harper weiss es nicht. Auf jeden Fall wird sie von den Erinnerungen an jenen Tag verfolgt. Um diese zumindest für ein paar Tage hinter sich lassen zu können, bucht sie ein herrschaftliches Anwesen in einem abgelegenen Dorf. Ein Traumurlaub. Sie unternimmt einen Spaziergang in die Natur, erfreut sich am Grün und am Echo eines stillgelegten Bahntunnels. Bis sie merkt, dass sie von einem nackten Typen verfolgt wird.
Regisseur Alex Garland («Ex Machina») mischt #MeToo-Schrecken mit traditionellem Folk-Horror – hinter Harpers Stalker stecken Kräfte aus vorchristlicher Zeit. Dass er für sie zur Gefahr wird, liegt aber vor allem daran, dass der örtliche Polizist die Bedrohung nicht ernst nehmen mag. Der Nackte habe ja nicht wirklich was gemacht. «Er hat mich verfolgt!», so Harper. Der Polizist: «Weswegen sind Sie sich da so sicher?»
Gegen Ende werden die Schreckensbilder immer surrealer. Und weshalb sehen sich eigentlich alle Männer im Dorf so ähnlich? «Men» ist ein Film, der mit Nachdruck danach verlangt, interpretiert zu werden. Das ist nicht unbedingt subtil, aber die Bilder wird man nicht so schnell vergessen. (ggs)
Abaton, Arena, Capitol, Riffraff
Il buco
Drama von Michelangelo Frammartino, I/F/D 2021, 93 Min.
Ein Fussball rollte in Michelangelo Frammartinos erstem Film «Il dono» (2003) durch die Gassen von Caulonia, dem Herkunftsort seiner Eltern in Kalabrien. Am Ende schoss der Ball in hohem Bogen über die Klippe. So einer wird in «Il buco» nun wieder von den gravitätischen Kräften angezogen; diesmal purzelt er eine kalabresische Höhle herunter.
Bei diesem «Loch» handelt es sich um die tiefste Höhle Europas, und wir begleiten eine Gruppe von Forschenden in den 60er-Jahren, die das System erkundet – beobachtet von einem alten Hirten auf der Hochebene. Glasklare Bilder sind das, sie fügen sich zur Vision einer fast schon mythologischen Natur, deren Gewalten und deren Geschichte wir uns nicht entziehen können. Etwas unerklärlich Seelenwandlerisches geht hier vor. Und wenn die Forscher brennende Magazinseiten in die schier endlose Tiefe der Höhle werfen und damit den Schacht erhellen – absolut berauschend. (blu)
Houdini
Flee
Animationsfilm von Jonas Poher Rasmussen, DK/F/S 2021, 93 Min.
Der dänische Regisseur Jonas Poher Rasmussen schildert in dieser Doku die Geschichte eines ehemaligen Mitschülers. Und zwar in animierten Bildern, um die Identität der Betroffenen zu schützen. Amin flüchtete als Kind mit seiner Familie aus Afghanistan, nachdem dort die Mujahedin die Macht übernommen hatten. Auf seinem Weg, der ihn schliesslich nach Dänemark führte, erlebte er schreckliche Dinge. Hinzu kommt, dass er sich nicht traute, seine Homosexualität auszuleben.
Wie er nun versucht, diese Erfahrungen aufzuarbeiten, ist tief berührend. Daneben wird die Ungerechtigkeit europäischer Flüchtlingspolitik spürbar. «Flee» erhielt zahlreiche Auszeichnungen und wurde für drei Oscars nominiert. (ggs)
Arthouse Piccadilly, Kosmos
Eat the Rich
Komödie von Peter Richardson, GB 1987, 89 Min.
«Come on baby, eat the rich/Put the bite on the son of a bitch»: So heisst es im Titellied der Band Motörhead. Die Handlung dreht sich dann auch um Kannibalismus im Zeichen der Revolution: Ein entlassener Kellner tut sich mit Anarchisten zusammen, um ein Luxusrestaurant gewaltsam zu übernehmen. Die reichen Gäste werden umgebracht, gekocht und anderen reichen Gästen serviert. Eine schrille Satire auf die Thatcher-Ära. (ggs)
Di 26.7., 21.30 Uhr, Xenix-Open-Air, Kanzleiareal
Notturno
Dokumentarfilm von Gianfranco Rosi, I/F/D 2020, 100 Min.
Drei Jahre lang hat der italienische Regisseur Gianfranco Rosi den Irak, Syrien, den Libanon und Kurdistan bereist, um den Alltag im kriegsversehrten Gebiet zu filmen. Er zeigt uns gelangweilte Soldaten. Alte Frauen, die in einem verlassenen Gefängnis um ihre toten Söhne trauern. Patientinnen und Patienten einer Psychiatrie, die für ein Bühnenstück proben. Oder Kinder, die in Zeichnungen die Gräuel verarbeiten, die sie miterlebt haben. Ein Kriegstagebuch in beeindruckenden Bildern. (ggs)
Auf Filmingo
Capharnaüm
Von Nadine Labaki, Libanon 2018, 127 Min.
Die französisch-libanesische Regisseurin Nadine Labaki filmte in Beirut direkt auf der Strasse, mit Laien. Ihre Geschichte ist zwar nicht ganz kitschfrei – aber die kleinen Protagonisten sind so stark, dass schon ein Blick in ihre Augen alles wettmacht. Der zwölfjährige Zain klagt seine Eltern an, weil die ihn auf die Welt gesetzt haben. Als vernachlässigtes Kind hat er auf den Strassen Beiruts vor allem für sich selber zu sorgen. Doch dann nimmt er Reissaus und muss Verantwortung übernehmen, weil er sich um ein Kleinkind kümmern muss. (ml)
Do 28.7., 21.30 Uhr, Film am See, Rote Fabrik
Persuasion
Literaturverfilmung von Carrie Cracknell, USA 2022, 92 Min.
Einiges kommt einem bekannt vor in dieser Jane-Austen-Adaption: Die bunte Ästhetik und die diverse Besetzung sind bei «Bridgerton» abgeschaut, und die Heldin spricht mit dem Publikum wie jene aus der Serie «Fleabag». An die Vorbilder reicht «Persuasion» nicht heran, und der Versuch, Austen zu modernisieren, wirkt oft bemüht. Dass der Film trotzdem unterhält, liegt an einigen gelungenen Witzen und Dakota Johnson in der Hauptrolle.
Sie spielt Anne, Tochter eines versnobten, aber verarmten Adligen. Die junge Frau trauert ihrer grossen Liebe nach, dem Matrosen Frederick (Cosmo Jarvis). Sie hat sich von ihrer Familie überreden lassen, die Verlobung aufzulösen. Acht Jahre später begegnet sie ihm wieder – inzwischen ist er Captain und eine gute Partie. Einer Wiederannäherung stehen aber verletzte Gefühle und Intrigen im Weg. (ggs)
Auf Netflix
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