In Morpheus' Armen
Ayurveda ist viel mehr als Wellness. Besuch in einem indischen Resort, das Authentizität dem westlichen Luxus vorzieht und den Gast ins heilende Reich des Schlafes entführt.

Die Füsse werden in einer Holzschale mit Rosenblättern gewaschen, die Sinne durch den Duft von Räucherstäbchen vernebelt, warmes Öl in den Rücken massiert. Man döst entspannt auf der gewärmten Liege, als die Frage der Therapeutin, ob man gemeinsam zu Shiva beten wolle, doch etwas verstört. Die 130 Franken, die nach der Behandlung für das indische Spektakel zu berappen sind, schärfen die Selbstwahrnehmung: War es das wert?
Die beste Freundin riet, sich wirksam gegen den Herbstblues zu wappnen – und zu Ayurveda. Viele heimische Wellnesstempel bieten das exotische Allerheilmittel mittlerweile an.
Der indische Engel, der eben noch im Sari hingebungsvoll massierte, spricht hinter dem Tresen mit der Kollegin Polnisch.
Macht es Sinn, in einem mitteleuropäischen Hotel so viel Geld für eine Ayurvedamassage zu bezahlen? Kann die Weisheit, die hinter der ayurvedischen Lehre steht, auch bei bester Ausbildung fern der Kultur und der Wurzeln durch Massagetechnik vermittelt werden?
Massage & Yoga kombiniert mit spezieller Ernährung
Ayurveda ist mehr als Wellness und Ölmassage, ist Heilkunst und wird als solche seit über 3500 Jahren in Indien praktiziert. Übersetzt aus dem Sanskrit, bedeute Ayurveda «Wissen vom Leben». Aus der Lehre leiten sich nicht nur Massage- und Reinigungstechniken ab, dazu gehört auch eine spezielle Ernährung, Pflanzenheilkunde, Yoga und Meditation. Vor etwa 20 Jahren fand Ayurveda den Weg nach Westen, aber es lohnt sich, für Treatments und Philosophie nach Indien zu reisen.
«Ein Freund von uns aus Europa hatte ernsthafte gesundheitliche Probleme», sagt der Inder Baby Mathew. «Ich wusste sofort, dass Ayurveda helfen würde. Das Problem war nur: Die speziellen Ayurvedakliniken in Indien entsprachen in keiner Weise den Europäischen Hygienestandards.»
So baute Geschäftsmann Matthew vor 30 Jahren auf dem Grundstück des Vaters in Kerala ein Ayurvedazentrum mit angeschlossenem Hotel – das erste Ayurveda-Resort der Welt.
Ein Boom folgte. Aus ganz Europa, aber auch aus den USA und Kanada reisen die Gäste ins Somatheeram nach Südindien. Sie werden von Dr. Sheena Rajendran empfangen. Die Mittfünfzigerin trägt einen Sari unter dem weissen Kittel und ein Stethoskop um den Hals. In einem ruhigen, freundlichen Gespräch wird geklärt, ob man gut schlafen könne, wie die Verdauung funktioniere, ob seelische Verstimmungen bedrückten.
Kurz flackert der Sommerabschiedsschmerz ins Gedächtnis, aber der war schon verflogen, als man in Delhi aus dem Flugzeug stieg. Ab jetzt gehört die morgendliche Konsultation bei Dr. Sheena und dem aus 20 Ärzten bestehenden Team zum Frühstücksritual wie der warme Brei am Buffet, die Handvoll Kräutertabletten und der morgendliche Spaziergang am Indischen Ozean.
Die Kur, die hier dem Gast verschrieben wird, hat so gar nichts gemein mit den Spa-Behandlungen in europäischen Wellnesshotels. Sie folgt den drei Doshas – den Lebensenergien Vata, Pitta und Kapha – sowie einem strengen Zeitplan. Wie nebenbei durchläuft man eine Schulung in Disziplin. Um sieben Uhr Yoga zum Sonnenaufgang. Danach Meditation und Besuch bei Dr. Sheena. Anschliessend Frühstück, Spaziergang am Meer und als Höhepunkt die Behandlung von Girisa und Sobharani.
Bald flutet eine wohlige Müdigkeit durch den Körper
Die beiden indischen Therapeutinnen nehmen den Gast aus Europa wie ein kleines Mädchen an die Hand und geleiten ihn behutsam zu einem der Behandlungsräume, die aus einer hölzernen Liege mit abwischbarem Bezug und einem zum Garten geöffneten Fenster bestehen.
Mit geübten Griffen gehen die beiden Frauen ans Werk: Jeder Zentimeter des Körpers wird gereinigt, geschrubbt, massiert, geölt – eine umfassende Behandlung mit warmem Öl und heisser Milch, mit Kräutersud und Pasten, die von Heilpflanzen aus eigenem Anbau stammen. Schon bald flutet wohlige Müdigkeit durch den Körper und spätestens, wenn warmes Öl aus einem über dem Kopf schwebenden Topf auf die Stirn rinnt, sinkt man in Morpheus' Arme.
So viel Wohlsein macht süchtig. Auf der blumenumrankten Terrasse vor Dr. Sheenas Behandlungszimmer trifft man Gäste, die schon zum 20. Mal hier sind. «Ich brauche diese Auszeit, danach bin ich ein neuer Mensch», sagt Jane aus New York, die es jedes Jahr ins Somatheeram zieht.
Mehrfach ist das Ayurveda-Resort zum besten des Landes gekürt worden und das, obwohl Luxus anders aussieht: Die Hütten, in die man sich zur Nachtruhe bettet, sind einfach eingerichtet. Nach dem Abendessen, das aus Gemüse, Getreide und Kräutern in grosser Vielfalt besteht, geht auf dem Gelände bald das Licht aus. Schlaf ist die beste Medizin. Nur die rabenschwarzen Tabletten, die Dr. Sheena als Bettmümpfeli verabreicht, schmecken doch arg bitter.
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Die Reise wurde unterstützt von Fitreisen
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