Film-Highlights der WocheIn «Wet Sand» versetzt ein Toter ein Dorf in Aufruhr
Neben dem bildgewaltigen Drama starten ein iranischer Thriller und der neuste Superheldenfilm von Marvel.

Wet Sand
Drama von Elene Naveriani, Geor/CH 2021, 115 Min.
Das Wet Sand ist ein Café in einem georgischen Badeort. Draussen rauscht das Schwarze Meer, drinnen läuft der Fernseher. Ein Nachrichtensprecher berichtet von einer Prozession in der Hauptstadt Tiflis. «Der Tag der Familie wurde 2014 vom Patriarchen eingeführt, um den Internationalen Tag gegen Homophobie zu ersetzen.» Den Feiertag gibt es tatsächlich, Kirche und Regierung in Georgien würden alles Queere am liebsten unter den Teppich kehren.
Amnon (Gia Agumava), ein stoischer Typ, führt das Wet Sand seit 20 Jahren. Als er hört, dass sich einer seiner Stammgäste erhängt hat, übernimmt er die Beerdigung und benachrichtigt Moe (Bebe Sesitashvili), die Enkelin des Toten. Die junge Frau reist aus Tiflis an. Weil sie und Amnon dem «Selbstmörder» einen würdigen Abschied verschaffen wollen, ziehen sie den Hass der Dorfbevölkerung auf sich. Noch schlimmer wird es, als herauskommt, dass der Verstorbene schwul war.
«Wet Sand» ist eine schweizerisch-georgische Co-Produktion, Regie führte Elene Naveriani, die einst fürs Studium von Tiflis nach Genf zog. Die Szenen des Films sind sorgfältig durchkomponiert und werden lange ausgespielt, man kann sich darin verlieren. Beeindruckend sind die Darstellerinnen und Darsteller, alles Laien und Theaterleute – Hauptdarsteller Gia Agumava etwa ist ein Uniprofessor. Die einheimischen Filmschauspielerinnen und -schauspieler trauten sich nicht, bei der queeren Geschichte mitzumachen. «Wet Sand» hat dieses Jahr den Prix de Soleure gewonnen, den Jurypreis der Solothurner Filmtage. (ggs)
Houdini
Do 5.5., 20.30 Uhr, Riffraff, Premiere in Anwesenheit der Regisseurin
A Hero
Drama von Asghar Farhadi, Iran 2021, 127 Min.
Mit «A Separation» hat der iranische Regisseur Asghar Farhadi 2011 sein Meisterwerk realisiert, ein Justizdrama, bei dem die Rädchen im Drehbuch perfekt ineinandergriffen. Seither drehte der Oscargewinner auch im Ausland, in Frankreich und in Spanien. Für «A Hero» ist er in die Heimat zurückgekehrt, der «Held» im Titel ist ein Mann, der wegen Schulden im Gefängnis sitzt. Während eines Hafturlaubs findet er Goldmünzen, die er aber der Besitzerin zurückgibt und nicht für eigene Zwecke verwendet. Oder doch?
Wieder stellt Farhadi ein moralisches Dilemma ins Zentrum und wickelt es mit Präzision ab. Einen Schönheitsfehler gibt es allerdings: Der Regisseur und eine ehemalige Studentin streiten sich derzeit vor Gericht über die Urheberschaft der Geschichte und decken sich gegenseitig mit Klagen ein. Die Sache ist noch nicht entschieden – und aus der Ferne denkt man: Das wäre ein gutes Thema für einen Farhadi-Film! (ml)
Arthouse Movie, Kosmos
Doctor Strange in the Multiverse of Madness
Superheldenfilm von Sam Raimi, USA 2021, 126 Min.
Es beginnt mit einem Albtraum, in dem Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) zusammen mit America Chavez (Xochitl Gomez) an ein Zauberbuch gelangen will. Moment, America wer? Nun, dieses aus dem Nichts aufgetauchte Teenager-Mädchen hat offenbar die Gabe, quer durch parallele Universen zu reisen. So was ist natürlich auch für dunklere Mächte attraktiv und wird für Strange & Co. so richtig gefährlich, als die Magierin Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) zur besessenen Jägerin mutiert. Klingt reichlich konfus? Der Film des Horrorspezialisten Sam Raimi überhebt sich in der Tat an allerlei Unmöglichkeiten, bietet dafür aber satte Action, bildstarke Überraschungen und kurzweiligen Grusel. (zas)
Abaton, Arena, Captol, Corso, Kosmos, Metropol
Better Call Saul
Anwaltsserie von Vince Gilligan/Peter Gould, USA 2022, 6 Staffeln
«Better Call Saul» ist immer noch etwas vom Besten, was es im Streaming gibt. Jede der im Wochenrhythmus veröffentlichten Folgen überzeugt inhaltlich (mit überraschenden Wendungen) und optisch (mit fast explodierenden Bildern).
Es ist die letzte Staffel der Vorgängerserie zu «Breaking Bad», was gewisse erzählerische Zwänge mit sich bringt: Am Ende muss sich Anwalt Jimmy McGill (Bob Odenkirk) in genau jenen Saul Goodman verwandelt haben, den wir schon lange kennen. Und es ist klar, dass bis dann Figuren verschwinden müssen, die in «Breaking Bad» nicht mehr vorkommen – was wird zum Beispiel aus McGills Ehefrau, der wunderbaren Kim Wexler (Rhea Seehorn)?
Damit das alles nicht zu schnell vorbei ist, zögert «Better Saul Call» das Ende hinaus – jetzt gibt es sieben Folgen. Die allerletzten sechs der zweigeteilten Staffel dann ab Mitte Juli. (ml)
Auf Netflix
Mariupolis
Dokumentarfilm von Mantas Kvedaravičius, Lit/D/F/Ukr 2016, 83 Min.
Anfang April tötete die russische Armee den litauischen Filmemacher Mantas Kvedaravičius, als er die belagerte Stadt Mariupol verlassen wollte. Bereits nach dem russischen Angriff 2014 auf die Ukraine war er in die Stadt gereist, um die Vorgänge dort festzuhalten – daraus entstand die Doku «Mariupolis». Das Filmpodium zeigt den Film, im Anschluss gibt es eine Podiumsdiskussion. (ggs)
So 8.5., 11 Uhr, Filmpodium
Bamboozled
Satire von Spike Lee, USA 2000, 135 Min.
Fernsehmitarbeiter Pierre (Damon Wayans) schlägt seinem Chef eine neue Show vor. In der treten schwarze Schauspieler in Blackface auf («We’re using black actors with blacker faces») und machen rassistische Witze. Eigentlich hofft Pierre, für diese haarsträubende Idee aus seinem Knebelvertrag entlassen zu werden. Doch die Sendung wird zum Hit. Regisseur Spike Lee («Do the Right Thing») drehte die Satire vor 20 Jahren. Damals floppte sie bei Publikum und Kritik, inzwischen hat eine Neubeurteilung eingesetzt. Die Rote Fabrik zeigt «Bamboozled» in der Reihe «Auf.Brechen», die sich antidiskriminierenden Diskursen widmet. Es gibt zum Film eine Einführung und anschliessend ein Podiumsgespräch. (ggs)
Fr 6.5., 20 Uhr, Rote Fabrik
Letter to Anna
Dokumentarfilm von Eric Bergkraut, CH/D 2008, 83 Min.
Der Zürcher Regisseur Eric Bergkraut («Wir Eltern») untersucht in seinem Dokfilm den Tod von Anna Politkowskaja. Die russische Journalistin wurde 2007 im Aufzug ihres Moskauer Wohnhauses erschossen; mit ihren Berichten über den Krieg in Tschetschenien hatte sie Putins Regime gegen sich aufgebracht. Im Anschluss an die Vorstellung gibt es eine Podiumsdiskussion, an der auch Eric Bergkraut teilnimmt. (ggs)
Mi 11.5., 20.30 Uhr, Kosmos
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