In zwei Tagen fast 300 Tote in Syrien
Die erbitterten Gefechte gehen weiter: Besonders umkämpft wurde der Militärflughafen Taftanas im Norden Syriens, welcher noch zu den letzten Bastionen der Truppen von Präsident Bashar al-Assad gehört.

In Syrien gehen die Kämpfe mit aller Härte weiter. Laut Beobachtern kamen allein am Mittwoch 220 Menschen ums Leben, bis Donnerstagmittag zählten die Oppositionellen landesweit weitere 70 Opfer. Heftig umkämpft ist der strategisch wichtige Militärflughafen Taftanas.
Nach Angaben von Revolutionsaktivisten kam es gestern rund um das Militärgelände erneut zu heftigen Gefechten, an denen auch zwei jihadistische Brigaden beteiligt waren. Der Flughafen gehört zu den letzten Bastionen der Truppen von Präsident Bashar al-Assad in der Provinz Idlib, die an die Türkei grenzt.
Autobombe in Damaskus explodiert
Bei einem Autobombenanschlag in der syrischen Hauptstadt Damaskus sind in der Nacht auf heute mindestens neun Menschen getötet worden. Das teilte die Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London unter Berufung auf Rettungsteams vor Ort mit.
Es gebe zahlreiche Schwerverletzte, so dass sich die Zahl der Getöteten erhöhen könnte, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Der Anschlag wurde demnach im Stadtviertel Barse verübt, in dem viele Mitglieder der alawitischen Minderheit wohnen. Zu dieser religiösen Gruppe gehört auch Präsident Bashar al-Assad.
In einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Sana war von einem «terroristischen Bombenanschlag» die Rede. Dieser habe einer Tankstelle in der Nähe des Hamisch-Spitals gegolten. Die syrische Staatsführung bezeichnet Rebellen üblicherweise als «Terroristen».
Kämpfe im ganzen Land
Die regierungsnahe Zeitung «al-Watan» meldete, die Sicherheitskräfte stünden kurz davor, die Ortschaft Darija im Südwesten von Damaskus zurückzuerobern. Die «Terroristen» seien von den Regierungstruppen in der Provinz Damaskus-Land zurückgedrängt worden. Lediglich in der Ortschaft al-Ghuta al-Scharkija könnten sie sich im Moment noch halten.
In der Provinz Deir as-Saur gelang es den Rebellen nach Informationen des Nachrichtensenders al-Arabiya ein Kampfflugzeug abzuschiessen.
Die Regimegegner wollen heute in mehreren syrischen Städten gegen Assad demonstrieren. Die Proteste stehen diesmal unter dem Motto: «Homs ruft alle Freiheitsliebenden auf – durchbrecht die Blockade unserer Stadt.»
Luftangriff auf Tankstelle
Erst am Mittwoch waren bei einem schweren Luftangriff auf eine Tankstelle nahe der Hauptstadt Damaskus Aktivisten zufolge Dutzende Menschen getötet oder verletzt worden. In den Beschreibungen war von einem regelrechten Inferno die Rede. Auf einem authentisch wirkenden Amateurvideo waren ein rund ein Meter tiefer Krater und mindestens zehn Leichen zu sehen.
Mehrere Autos standen in Flammen und schwarze Rauchsäulen stiegen zum Himmel auf. Das Video deckte sich mit weiteren Berichten über den Vorfall. Warum die syrische Luftwaffe die Tankstelle angriff, war zunächst unklar.
Gestern gingen die Angriffe unvermindert weiter. Laut den örtlichen Koordinationskomitees und der Beobachtungsstelle für Menschenrechte kam es in etlichen anderen Vororten von Damaskus zu Gefechten und Bombardements.
Bei einem der Luftangriffe sei auch ein Gebäude in der Ortschaft Duma getroffen worden. Amateurvideos zeigten, wie Verwundete aus dem schwer beschädigten Haus getragen und weggefahren wurden. Den Angaben zufolge wurden in Duma und anderen Vororten von Damaskus acht Menschen getötet.
Erneut trilaterale Gespräche geplant
Bei den Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Syrien-Konflikts könnte es nach Angaben aus UNO-Kreisen bald erneute Gespräche zwischen den USA, Russland und dem internationalen Sondergesandten Lakhdar Brahimi geben.
Brahimi wolle mit dem trilateralen Treffen an seine Unterredung mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow am vergangenen Samstag anknüpfen und den Weg für einen diplomatischen Durchbruch ebnen, sagte der pakistanische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Masood Khan, gestern in New York. Brahimi und Lawrow hatten nach ihrem Treffen bekräftigt, dass der Konflikt in Syrien nur durch Gespräche beigelegt werden könne.
Am 9. Dezember war Brahimi schon einmal mit Vertretern Russlands und den USA zu Beratungen über die Krise in Syrien zusammengekommen. Damals hatten alle drei Parteien erklärt, die Lage in dem Land werde zunehmend schlechter, zugleich aber betont, dass ihrer Ansicht nach eine politische Lösung des Konflikts noch möglich sei.
Khan, derzeit amtierender Präsident des UNO-Sicherheitsrats, sagte gestern, es gebe derzeit ausserhalb des Sicherheitsrats «wichtige Entwicklungen» bei den Bemühungen, den Syrien-Konflikt beizulegen. Nähere Angaben dazu machte er nicht. Er äusserte aber die Hoffnung, dass es in der kommenden Woche zu dem trilateralen Gespräch zwischen Moskau, Washington und Brahimi komme.
Kriegsreporter verschleppt
Am Mittwoch wurde bekannt, dass im Kriegsgebiet ein amerikanischer Kriegsreporter verschleppt worden ist. Der 39 Jahre alte James Foley sei Ende November im Nordwesten des Landes von unbekannten Bewaffneten entführt worden und gelte seitdem als vermisst, teilte seine Familie mit.
Foley hatte für die französische Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) aus dem Krisengebiet berichtet. Im April 2011 war Foley zusammen mit zwei anderen Reportern von Regierungstruppen vorübergehend in Libyen in Gewahrsam genommen worden, als sie über den Bürgerkrieg in dem Land berichtet hatten. Ein südafrikanischer Fotograf wurde damals in der Gefangenschaft erschossen.
Warnung der Hizbollah
Der Chef der schiitischen Hizbollah im Libanon, Hassan Nasrallah, hat vor einer Teilung des Nachbarlands Syrien gewarnt. In einer gestern im Hisbollah-Sender al-Manar direkt übertragenen Rede sagte Nasrallah: «Jegliche Form von Teilung oder von Aufrufen zur Spaltung und Abtrennung sind abzulehnen – egal von welchem der arabischen oder muslimischen Länder.»
Die Hizbollah rufe dazu auf, die Einheit aller dieser Länder, die vom Jemen über den Irak bis hin zu Syrien bedroht sei, zu bewahren. Nasrallah sprach sich erneut für einen politischen Dialog und die friedliche Beilegung des bewaffneten Konflikts in Syrien aus.
«Wenn die militärische Lösung anhält, wird der Krieg lange dauern», sagte er. Die Hizbollah, die mit ihren Verbündeten die libanesische Regierung dominiert, steht an der Seite der syrischen Regierung.
Zahl der Kriegsopfer auf 60'000 gestiegen
Inzwischen beziffern die Vereinten Nationen die Zahl der Todesopfer seit Beginn des Aufstands gegen Assad vor knapp zwei Jahren auf mindestens 60'000. Eigene Experten hätten dafür Listen aus sieben verschiedenen Quellen ausgewertet, darunter auch Regierungsangaben, hiess es aus New York.
Angesichts des hohen Blutzolls kritisierte die UNO-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay das internationale Krisenmanagement: «Das Versagen der internationalen Gemeinschaft – vor allem des Weltsicherheitsrats – etwas zu tun, um das Blutvergiessen zu beenden, beschämt uns alle», sagte sie. «Wir alle haben herumgedoktert, während Syrien brennt.»
Unterdessen fliehen immer mehr Syrer vor der anhaltenden Gewalt in ihrer Heimat nach Jordanien, wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mitteilte. In den vergangenen drei Tagen hätten 1200 bis 1300 Menschen die Grenze ins Nachbarland überquert. Durch den Bürgerkrieg sind mehr als 500'000 Syrer vertrieben worden. Die meisten haben in Jordanien, dem Libanon und der Türkei Zuflucht gefunden.
dapd/sda/chk
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