Schweizer Drama «Prinzessin»Ist Blut dicker als Schnaps?
«Prinzessin» erzählt von Familienbanden und Drogensucht. Wir sprachen mit Regisseur Peter Luisi über wahre Liebe und das Drehen mit Kleinkindern.

Im Jahr 1985: Eigentlich will Josef (Fabian Krüger) nichts mehr vom Leben. Er hat sich in seinem Elternhaus verkrochen, in dem er allein lebt, und säuft sich allmählich zu Tode. Plötzlich steht seine Halbschwester Karin (Anne Haug) vor der Tür: «Wir haben gestern Mama begraben.» Sie will das Haus verkaufen, Josef weigert sich jedoch, auszuziehen. Also zieht sie bei ihm ein, zusammen mit ihrer kleinen Tochter Nina (Lia Hahne). Das Mädchen zwingt den Trinker dazu, sich mit dem Leben noch mal auseinanderzusetzen.
«Dieser Kontrast hat mich interessiert», sagt Peter Luisi, Regisseur und Drehbuchautor von «Prinzessin». Kinder wie Nina hätten eine riesige Lebensfreude, für sie ist alles spannend. «Josef dagegen ist einer, der sich völlig aufgegeben hat.» Im Lauf der Recherchen las Luisi von Projekten, bei denen Menschen in Altersheimen mit Kindern im Vorschulalter zusammengebracht werden. Was sich positiv auf den Lebenswillen der Bewohnerinnen und Bewohner auswirkte: Sie erleben ungetrübte Energie, merken, dass sie vielleicht doch noch etwas zu geben haben. Das floss in die Geschichte ein.
Die Chemie zwischen Josef-Darsteller Fabian Krüger und der Kinderdarstellerin, der vierjährigen Lia Hahne, ist tatsächlich beachtlich. Ihr Spiel wirkt authentisch, die beiden sind fantastisch zusammen. «Sie hatten sich beim Casting sofort gern», so Luisi. Den Rhythmus der Dreharbeiten musste die Crew dem Mädchen anpassen. «Wenn ein Kind in dem Alter nicht mehr will, dann will es wirklich nicht mehr.» Mehr als drei Stunden am Tag durften sie schon vom Gesetz her nicht drehen. Und sie mussten darauf achten, dass die Kleine die Freude an den Dreharbeiten nicht verliert. «Hätte sie nach zwei Wochen gefunden: Mami, ich hab keine Lust mehr, dann wärs das gewesen mit dem Film.»
«Ein weiterer Aspekt der Geschichte war der Gedanke, dass man wahre Liebe nur über die Zeit hinweg beweisen kann.» Dass man jemanden liebt und immer da sein werde, sei schnell gesagt. «Aber wie sieht es Jahre und Jahrzehnte später aus?»
Und so macht der Film einen Zeitsprung in die Gegenwart. Dank seiner Nichte hat Josef – jetzt gespielt von Matthias Habich – seit 35 Jahren die Finger vom Alkohol gelassen. Er hat aber auch längst den Kontakt verloren. Erschüttert ist er, als er erfährt, dass Nina (Johanna Bantzer), längst erwachsen, in die Drogensucht abgerutscht ist und in einem Gefängnis im besetzten Teil der Ukraine inhaftiert ist. Er reist hin, um sie rauszuholen. «Wir drehten tatsächlich in der Ukraine», sagt Luisi. «Das Separatistengebiet liessen wir allerdings aus.»
Johanna Bantzer wurde 2004 als Drogensüchtige in «Strähl» bekannt. Ihre erwachsene Nina ist eine ähnliche, allerdings subtilere, vielschichtigere Figur. Eine gute Leistung von Bantzer. «Sie muss realistisch unsympathisch sein», so Luisi. «Aber doch sympathisch genug, dass sie einem nicht völlig egal ist.» Der alte Josef versucht, sein Versprechen einzulösen, Nina macht ihm das extrem schwer. Luisi: «Plötzlich ist dieses Mädchen aus dem ersten Teil des Films gar nicht mehr herzig, sondern schwierig und undankbar. Gilt dann noch das Versprechen, dass er immer für sie da sein wird?» Diese Frage untersucht Peter Luisi in seinem Film. Er erzählt ehrlich, seine Figuren bleiben bis zuletzt widerborstig. Umso bewegender ist die Geschichte.
Arthouse Movie, Zürich
CineMovie, Bern
Gregor Schenker ist seit 2012 Filmredaktor im Ressort Zürich Leben. Er hat in Zürich Germanistik, Filmwissenschaft und Psychologie studiert.
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