Ist das ein Baukunstwerk oder ein Kunstwerkbau?
Oder ein Kunstbauwerk? In Kilchberg wirft ein Iglu Fragen auf: Das Werk des Japaners Tadashi Kawamata steht im Garten eines teuren Neubaus.

Kann ein Bau Kunst sein? Kann Kunst ein Bau sein? Das auffällige Werk an der Alten Landstrasse bejaht beide Fragen. Die zweite sogar bürokratisch: Um «Barrel» des japanischen Künstlers Tadashi Kawamata zu realisieren, war ein ordentliches Baugesuch nötig. Eine weitere Frage lässt sich an diesem Kawamata diskutieren: Was ist Kunst? Eine Antwort: wenn sie etwas auslöst, zu denken oder mindestens zu reden gibt. Also ist das Werk Kunst. Das Iglu aus Fensterrahmen polarisiert. Es bewegt die einen, den Busfahrplan für einen Moment zu vergessen. Und die anderen, eine Zeit lang nicht mehr aus dem Fenster zu schauen.
Eine Vorgartenprovokation
In der Verkaufsdokumentation der Überbauung Seeplateau ist von einer «poetischen Provokation im Vorgarten» die Rede. «Barrel Kilchberg» (Fass Kilchberg) wurde im Oktober fertiggestellt. Der Bau Kawamatas ist eine Art unterirdisches Fass, vier Meter tief in den Boden eingelassen. Eine Betontreppe führt in das Werk hinein, das nicht mit dem Bau daneben verbunden ist. Im Rund sind die Betonwände mit rohen Holzplanken verkleidet, es gibt bloss eine Sitzbank an der Wand und einen Dolendeckel im Boden. Gedeckt ist das Fass mit einer Kuppel aus Fensterrahmen, die an ein Iglu erinnert. Die verschieden grossen Rahmen zeichnen je nach Sonnenstand andere Muster an die Wand.
Tadashi Kawamata ist weltweit bekannt für seine «Holzhaufen» und in der Schweiz beliebt, wie seine Werkliste zeigt: die schwimmende Brücke im Zellwegerpark in Uster, die Terrasse des Hotel Castel in Zuoz, der Holzweg hoch zum Kunsthaus Zug, der Scheiterturm beim Kunstmuseum Thurgau, das Favela Café an der Art Basel 2013. «Barrel» führt in Kilchberg nicht nur zu Diskussionen, «die poetische Provokation» spaltet.
Man kann sich gut vorstellen, wie dieser Iglu in die Winternacht strahlt.
Dafür stehen diese beiden Geschichten, die Architekt Peter Kyncl bei der Besichtigung erzählt. Zur Eröffnung des Kunstwerks veranstaltete er einen Apéro, das Fass wurde beleuchtet, es spielte ein Saxofonist. Man kann sich gut vorstellen, wie dieser Iglu in die Winternacht strahlt – und ins Auge sticht.

Zum Beispiel jenem Chauffeur der Buslinie 161. Er stoppte, stieg aus, fotografierte das Iglu, stieg wieder ein und entschuldigte sich bei seinen Passagieren für den ungeplanten Zwischenstopp. Da ist aber auch die Anwohnerin, die neu grosse Kunst in ihrem Blickfeld hat. Sie könne, klagte sie bei Kyncl, nicht einmal mehr die Fensterläden öffnen. Sonst blende sie dieses «Ungetüm». Damit meinte sie die Kuppel. Kawamatas Idee war, alte Fenster zu verwenden – doch das lehnte die Gemeinde aus Sicherheitsgründen ab. Nun sind es neue Holzrahmen, massiv, strahlend weiss, manche verglast, manche nicht. Die verglasten tragen Verbundsicherheitsglas.
Kunst am Bau gehört dazu
Wenn er baue, gehöre Kunst am Bau dazu, sagt Architekt Kyncl. Er steht im Fass und schaut durch die Kuppel in den Himmel. Das Werk fasziniere ihn immer wieder, sagt er. Seine Freude ist spürbar – am Werk selber, aber auch an der «poetischen Provokation». Hier baute Kyncl an privilegierter Lage, auf einem Plateau nahe der Stadtgrenze. Von den Wohnungen sieht man über den ganzen Zürichsee, im Attikageschoss reicht der Blick über die Stadt Zürich und auf den Uetliberg – nicht nur die Aussicht ist ziemlich luxuriös. Da galt es, einen angemessenen Künstler zu finden, diesem wurde eine angemessene Fläche zur Verfügung gestellt.

Kawamata sei sofort interessiert gewesen, erzählt Kyncl. Dessen Werk steht noch im Dreck, im Frühling dann wird es von Rasen umgeben sein. 400 000 Franken kostete das «Barrel». Man darf es durchaus als Geschenk an die Gemeinde sehen: Es ist rund um die Uhr öffentlich zugänglich.
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