Fernsehkritik zum «Club»Ist die Corona-Krise lustig?
Moritz Leuenberger möchte uns geisseln, Patti Basler wollte nicht zu kritisch sein – und Gabriel Vetter schwang sein Glöckchen: Der «Club» diskutierte über Humor in der Corona-Krise.

Endlich dürfen wir nach Wochen kalten Entzugs wieder ins Gartencenter und uns von schlecht bezahlten Coiffeusen die Haare schneiden lassen. Kurz: Wir arbeiten uns nach dem Lockdown in die Normalität zurück. Aber die Lage ist noch sehr ernst. Wie ernst, wurde einem am Dienstagabend bewusst, als unter Anwesenheit von Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger und anderen komischen Menschen wie den Satirikern Patti Basler und Gabriel Vetter über Humor als «Rettungsanker in der Corona-Krise» diskutiert wurde.
Haha, endlich systemrelevant!
Inzwischen ist also auch der Humor systemrelevant. Darauf pochten alle «Club»-Gäste: Moritz Leuenberger sieht den Humor als «einen Bestandteil der gesellschaftlichen Auseinandersetzung», zudem als ein Mittel, um in der Krise etwas Distanz und Erleichterung zu gewinnen, also als etwas sehr Wichtiges.
Ähnlich argumentierte Gabriel Vetter: Für ihn ist der Humor eine «Bewältigungsstrategie», ja ein «dialektisches Gefühl von Empowerment, das einem Macht gibt, wenn man der Machtlosigkeit ausgesetzt ist» (Sie müssen diesen Satz nicht gleich verstehen, wir kapierten ihn auf Anhieb auch nicht, aber der Gedanke, dass man in einer Situation, die man selbst nicht ändern kann, durch Humor ein Gefühl von Souveränität entwickeln kann, hat etwas für sich).
Humor als Superkraft
Ja, an diesem Abend wurde das ganz grosse Besteck ausgepackt, um die maximale Wichtigkeit von Satire hervorzuheben. Nie wurde relativiert, etwa mit dem Hinweis, dass es vielleicht noch zwei, drei andere systemrelevante Jobs geben könnte. Stattdessen wurde dem Humor wiederholt Superkraft zugesprochen.
So etwa, als Patti Basler erklärte, sie habe in den ersten Tagen des Lockdown das System nicht angreifen wollen; statt kritisch zu sein, habe sie mit Humor die Massnahmen des Bundesrates vermittelt. Ein angriffigerer Humor hätte demnach die Schweiz in den Abgrund gestürzt.
Immerhin wurde Basler darauf die Frage gestellt, ob sie sich als Pressesprecherin des «Bundesamtes für Gesundheit» (BAG) sehe. Nein, das nicht, aber ihr «innerer Schweinehund» sei nun mal eine Lehrerin, was einen Hang zur Publikumserziehung und Didaktik erklären könnte.
«Rausreissen» und «etwas geisseln»
Das war lustig. Aber Moderator Peter Hossli wars nicht genug. Er ging aufs grosse Ganze und stellte die Frage, ob angesichts der Kirchenschliessungen die Satiriker eine Ersatzreligion begründen könnten. Nein, eigentlich überhaupt nicht, meinte Moritz Leuenberger, der selbst aus einem theologischen Elternhaus stammt. Leuenberger sieht die Funktion der Satire eher in der Hinterfragung der «absoluten Wahrheit», in deren Vollbesitz sich vor allem Politiker wähnen würden. Die Satiriker müssten uns auch mal «rausreissen» – und «etwas geisseln», meinte Leuenberger.
«Aha, die Wissenschaft ist also der Realpolitik erlegen.»
Wie er sich eine solche Geisselung vorstellt, führte Leuenberger dann gleich selbst aus: Er sprach über Masken, die es gemäss BAG nicht brauchte, als sie fehlten – und die jetzt nötig sind, da vorhanden. «Aha, die Wissenschaft ist also der Realpolitik erlegen», kommentierte Moritz Leuenberger. Das Seminar «Wir sagen Ja zur Kritik» wedelte da wohl ganz heftig mit seinen Fan-Wimpeln vor den Fernsehern.
Basler und Berner, Amerikaner und Schweizer
Aber müssen Humor und Satire wirklich immer solch grosse und edle Aufgaben aufgebürdet werden wie Kritik und Systemerhalt? Ja, meinte Bänz Friedli, er vertrat die Ansicht, dass Humor eine Erkenntnisfunktion haben kann – und sei ganz sicher nicht dafür da, Klischees zu bestätigen. Letzteres sei Comedy, und die lehnt er ab. Im weiteren Verlauf des Gesprächs sprach Friedli dann ausschweifend über den Unterschied zwischen Bernern und Baslern, Linken und Rechten – und von den Amerikanern, die viel schneller und schärfer seien als die Schweizer.
Das war das, was in dieser Diskussion ganz entschieden fehlte: Humor als Anarchismus – ganz ohne Angebot zur Sinnstiftung.
Über so viel Selbstwiderspruch eines Humoristen, der sich auf Wahrheitssuche unter erschwerten Bedingungen wähnt, mussten wir dann doch lachen. Zugleich wünschten wir uns eine Hazel Brugger herbei, die als «böseste Frau der Schweiz» vielleicht doch ein paar Dinge zurechtgerückt hätte. Oder einen engagierteren Gabriel Vetter, der mal meinte, er atme nur noch. Zuvor hatte Vetter die Medienkonferenz von Alain Berset und Krisenmanager Daniel Koch mit einer Liturgie verglichen. Er selbst wolle aber nicht predigen, sagte Vetter, sondern an der falschen Stelle sein Glöckchen schwingen, seit er gemerkt habe, dass man dadurch einen Gottesdienst zum Entgleisen bringen könne. Das war das, was in dieser Diskussion ganz entschieden fehlte: Humor als Anarchismus – ganz ohne Angebot zur Sinnstiftung.
Angst vor Moritz Leuenberger
Sein Glöckchen schwang Vetter in der «Club»-Diskussion nur einmal, als ein Video von Moritz Leuenberger mit bellendem Plüsch-Bernhardiner gezeigt wurde: «Wau», meinte Vetter, «das war eine meiner grössten Ängste, dass Moritz Leuenberger in der Corona-Krise regelmässig Youtube-Videos raushaut.» Wer das Video mit Leuenberger gesehen hat, ängstigt sich mit. Der Rest war achtzig Minuten Andacht von Humorgläubigen im Angesicht der Systemrelevanz. Oder Kuscheltalk unter Pressesprechern in eigener Sache.
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