
Inwieweit ist Zufriedenheit eine Frage der Lebensumstände, der Einstellung, einer optimistischen Grunddisposition? Inwieweit ist sie erlernt beziehungsweise unter welchen Bedingungen lernbar? K. S.
Liebe Frau S.
Ich habe zur Einstimmung ein bisschen im weltweiten Netz herumgegoogelt, und die Ergebnisse haben meine Erwartungen leider bestätigt. Wann immer davon die Rede war, dass und wie man Zufriedenheit, insbesondere die innere, erreichen konnte, wurde von den Autoren der Beiträge herumgesülzt, dass es Gott erbarm. Etwa: «Finde ab heute an allem Schlechten etwas Gutes.» (Das Erste, was mir dazu einfällt, sind die deutschen Autobahnen.) «Womit wir uns in Gedanken beschäftigen, bestimmt, wie wir uns fühlen und verhalten. Das ist eine Tatsache.» (Ach, fick' dich ins Knie und fühl dich dabei.)
Es fällt mir offensichtlich schwer, meine Aversion gegen dieses dummdreiste Zufriedenheit-kann-man-lernen-, Materielle-Dinge-machen-uns-nicht-zufrieden-sondern-nur-unglücklicher-Geblöke zu verbergen. Aber bevor ich mich nun in eine heilige Empörung hineinsteigere, lege ich lieber eine flotte 355-Grad-Wende hin und behaupte kokett: Ein klein wenig kann man Zufriedenheit eben doch trainieren. (Je mehr Geld man auf dem Konto hat, desto einfacher ist es übrigens.)
Hier meine Tipps: Seien Sie freundlich zu anderen. Knuddeln Sie Tiere.
Hier meine Tipps: Seien Sie freundlich zu anderen. Auf wundersame Weise wirkt das auf einen zurück. Verstricken Sie sich nicht in innere Aufreger-Dialoge: mit Umweltsünder*innen, Helikoptereltern, Esser*innen im Tram, Dicken, Dünnen, Raucher*innen, Nichtraucher*innen, Gendersternchenbenutzer*innen. Senden Sie Ihren Liebsten herzige Emojis. Wenn Sie einsam sind, suchen Sie sich ein paar Twitter-Freunde und -Freundinnen. Knuddeln Sie Tiere. Erbauen Sie sich nicht daran, dass es anderen Leuten schlechter geht. Verbeissen Sie sich in nichts, setzen Sie nicht all Ihr Denken, Handeln, Streben auf eine Karte. Tragen Sie schlechte Laune mit Fassung. Und gute auch. Vor allem aber: Geniessen Sie Ihre Zufriedenheit, aber bedenken Sie, dass man auch an Unzufriedenheit nicht auf der Stelle stirbt.
----------
Der Psychoanalytiker Peter Schneider beantwortet jeden Mittwoch Fragen zur Philosophie des Alltagslebens. Senden Sie uns Ihre Fragen an gesellschaft@tagesanzeiger.ch
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Ist Zufriedenheit lernbar?
Die Antwort auf eine Frage zum inneren Wohlgefühl, das einer optimalen Lebensführung dienlich sein kann.