Italien erwacht
Addìo Silvio? Man hat Berlusconi ja schon oft tot geschrieben, den Berlusconismus immer wieder dämmern sehen, um dann mit Verwunderung festzustellen, wie ihm eine Mehrheit der Italiener folgte. Trotz allem. Und darum ist Vorsicht geboten. Nun aber ist Mailand gefallen, «sein» Mailand, das Mailand seines Aufstiegs, die mythische Hochburg seiner unternehmerischen und politischen Macht – die moralische Hauptstadt Italiens, wie die Wirtschaftsmetropole auch und nicht immer zu Recht genannt wird. An diesem Wochenende hat sie ihrem Übernamen wieder einmal alle Ehre gemacht. Nun könnte man natürlich sagen, dass Berlusconis Lager nur eine Kommunalwahl verloren hat – in Mailand, Neapel, Turin und in vielen weiteren Städten. Und natürlich wird Italiens Ministerpräsident trotz seines massiven persönlichen Engagements tunlichst vermeiden, nationale Schlüsse daraus zu ziehen. Doch die politische Bedeutung seiner Heimniederlage kann man gar nicht überbewerten, symbolisch und politisch. In der Geschichte Italiens hat Mailand oft schon den Lauf vorgegeben: als Avantgarde, als Pulsmesser für die Stimmung im ganzen Land. Und darum ist es ein denkwürdiges Fanal, wenn sich die Mailänder von Berlusconi abwenden – eine Quittung. Ihr einstiger Hoffnungsträger hat seine Reformversprechen nicht umgesetzt, hat nur Slogans aneinandergereiht, hat vor allem seine eigenen Interessen bedient, hat sich in den letzten Monaten in immer neue, immer vulgärere, immer peinlichere Geschichten verstrickt. Das konservative Mailänder Establishment, das den Emporkömmling eigentlich nie leiden mochte, war dem barocken und manchmal bedenklichen Treiben überdrüssig, schämte sich wohl auch und setzte auf Giuliano Pisapia, einen früheren Kommunisten. Ausgerechnet.Addìo Silvio? Könnten die Italiener heute ein neues Parlament wählen, würden sie den Berlusconismus archivieren. Daran zweifelt niemand mehr. Nur: Die Legislaturperiode dauert noch zwei Jahre. Und wenn ihm seine knappe, teuer erkaufte Mehrheit die Treue hält, dann regiert Berlusconi noch eine Weile weiter. Ohne jeden Glanz, im Schatten seiner Dämmerung. Kommentar Oliver Meiler, Mittelmeer-Korrespondent, über Berlusconis Wahlniederlage in Mailand.
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