Italien-Schock reisst Börsen in die Tiefe
Ein verbitterter Silvio Berlusconi wird sich bei Neuwahlen nicht mehr als Spitzenkandidat aufstellen lassen. Die Märkte lassen sich aber nicht beruhigen – die Zinsen für italienische Anleihen sind auf Rekordniveau.
Die Aktienmärkte stecken heute tief im Minus und der Euro verliert kräftig zum Dollar. Geradezu dramatisch entwickelte sich die Lage für Italien: Die Zinsen, die der Kapitalmarkt für frisches Geld verlangt, steigen auf gefährliche Höhen. Nach Einschätzung vieler Finanzmarktexperten ist Italien angesichts seiner wirtschaftlichen Stärken zu Unrecht ins Visier der Märkte geraten.
Die Renditen italienischer Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit sind dennoch erstmals auf über 7 Prozent gestiegen, der Tageshöchstwert lag bei 7,45 Prozent. Griechenland, Irland und Portugal mussten bei diesem Renditeniveau unter den Rettungsschirm schlüpfen. Zum Vergleich: Deutschland muss aktuell für zehnjährige Staatstitel lediglich etwas mehr als 1,7 Prozent Verzinsung bieten.
Parallel dazu verteuerte sich die Absicherung italienischer Anleihen per Credit Default Swap (CDS). Die Absicherung eines zehn Millionen Euro schweren Pakets italienischer Titel gegen Zahlungsausfall kostete mit 543'000 Euro gut 23'000 Euro mehr als im späten Vortagesgeschäft.
Im Sog der italienischen Rendite-Höchststände und CDS-Kurse gingen auch die Renditen anderer europäischer Anleihen wie Frankreich, Spanien oder Portugal nach oben.
Euro deutlich schwächer
Der Euro fiel nach der Ankündigung von Berlusconis Rücktritt zeitweise unter die Marke von 1,36 US-Dollar, womit er rund 2,5 US- Cents weniger wert war als tags zuvor. Auch gegenüber dem Franken verlor der Euro. Der Wechselkurs sank im Laufe des Mittwochs von rund 1,24 auf zeitweise unter 1,23 Franken.
Die europäischen Aktienmärkte fielen – nach einem kurzen Abstecher in die Gewinnzone – ebenfalls kräftig ins Minus. Eine Veränderung in der italienischen Regierung ändere nichts an den massiven finanziellen Problemen des Landes, hiess es von Marktteilnehmern. Von verschiedener Seite wurde auch die Entwicklung im Iran als Faktor angeführt, welche die Märkte belastet.
An der Schweizer Börse sank der Leitindex SMI (Swiss Market Index) um bis zu 1,7 Prozent, der deutsche Leitindex Dax fiel bis zu 3,1 Prozent unter den Vortagesstand. Für den Eurostoxx 50 der wichtigsten europäischen Aktienwerte ging es bis zu 2,5 Prozent nach unten. Angeführt wurde die Verliererliste von den Aktien der Finanzbranche.
Berlusconi hat genug
Silvio Berlusconi, der nächste Woche seinen Rücktritt einreichen will, wird nicht als Spitzenkandidat der Mitte-rechts-Koalition an Neuwahlen teilnehmen.
«Ich werde nicht mehr wieder kandidieren. Ich fühle mich erleichtert», sagte Berlusconi nach Angaben der Turiner Zeitung «La Stampa» vom Mittwoch. Als Premierkandidat der Mitte-rechts-Allianz werde der Ex-Justizminister Angelino Alfano, Vorsitzender von Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL), ins Rennen gehen.
Zurück zum AC Milan
«Alfano hat sehr gute Eigenschaften bewiesen und ist ein guter Parteiführer», erklärte Berlusconi. Er selber werde sich für die Neugründung seiner Partei einsetzen, zugleich werde er wahrscheinlich wieder die Präsidentschaft seines Fussballklubs AC Milan übernehmen.
In einem Interview mit dem Radiosender Radio Rai betonte Berlusconi, dass ihm die Interessen des Landes wichtiger als seine persönlichen seien. Der Premier appellierte an die Opposition, so rasch wie möglich das Stabilitätsgesetz im Parlament zu verabschieden.
Verlorene Mehrheit
Berlusconi hatte gestern Abend nach einem Krisengespräch mit Präsident Giorgio Napolitano seinen Rücktritt angekündigt. Erfolgen werde dieser jedoch erst, wenn das Parlament das Konjunkturpaket mit den Sparmassnahmen verabschiede, zu denen er sich vergangene Woche mit Brüssel verpflichtet habe.
Berlusconi kündigte seinen Rücktritt an, nachdem er bei einer heiklen Budgetabstimmung in der Abgeordnetenkammer festgestellt hatte, dass er über keine Mehrheit mehr verfügt.
Verbitterter Premier
Berlusconi ist wegen der Parlamentarier seiner Partei verbittert, die ihm den Rücken gekehrt haben. «Sieben Parlamentarier haben ihr Mandat verraten», klagte Berlusconi heute in einem TV-Interview.
«Es ist etwas Absurdes geschehen, ich kann es nicht glauben. Ich bin von Personen verraten worden, die ich ein Leben lang in meinem Herzen trug», sagte Berlusconi. Er kritisierte unter anderem die Kehrtwende des Ex-Präsidenten der Region Friaul, Roberto Antonione.
«Ich war Taufpate seiner Tochter»
«Dank meiner Hilfe ist er zum Präsidenten Friauls gewählt geworden. Unzählige Gipfeltreffen haben wir in Triest organisiert, um seiner Präsidentschaft Glanz zu geben. Ich war Taufpate seiner Tochter und jetzt verrät er mich. Die Wähler werden jedoch nicht vergessen, wer sie verraten hat», mahnte Berlusconi.
Als loyalen Verbündeten lobte er die rechtspopulistische Regierungspartei Lega Nord. «Die Beziehungen zur Lega sind exzellent. Die Partei ist ein solider und zuverlässiger Verbündeter», sagte Berlusconi. Nach Angaben italienischer Medien droht dem Premier der Verlust weiterer Parlamentarier.
Mehrere Abgeordnete seiner Mitte-Rechts-Partei «Volk der Freiheit» führen Gespräche mit dem Zentrumsblock «Dritten Pol» um Fini. Ihre Hoffnung ist, dass es nach Berlusconis Rücktritt zu einer Notstandsregierung mit allen Parteien im Parlament kommt.
sda/dapd/jak/bru
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