Ja zu Steuerabkommen – Nein zur Umsetzung
Nach dem Ständerat stimmt auch der Nationalrat den Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich zu. Abgelehnt hat die grosse Kammer aber jenes Gesetz, das die Umsetzung regeln soll.

Das Schweizer Parlament hat die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich gutgeheissen. Nach dem Ständerat sagte heute auch der Nationalrat Ja zur Abgeltungssteuer. Nun müssen noch die Parlamente der betroffenen Länder entscheiden.
Die Abkommen sind auch in der Schweiz umstritten: Die beiden grössten Fraktionen – jene der SVP und jene der SP – stellten sich dagegen. Da die SP-Fraktion gespalten war, reichte dies jedoch nicht für ein Nein.
Das Abkommen mit Deutschland passierte im Nationalrat mit 108 zu 81 Stimmen bei 2 Enthaltungen, jenes mit Grossbritannien mit 109 zu 81 bei 1 Enthaltung und jenes mit Österreich mit 138 zu 51 bei 2 Enthaltungen. Die Abkommen unterstehen dem fakultativen Referendum. Sollte dieses ergriffen werden und zustande kommen, würde die Abstimmung voraussichtlich am 25. November stattfinden.
Abgeltungssteuer als Kernstück
Kernstück ist die Abgeltungssteuer. Diese soll gewährleisten, dass andere Staaten die ihnen zustehenden Steuergelder erhalten, ohne dass die Schweiz das Bankgeheimnis aufgeben muss. Die Banken ziehen ausländischen Kunden einen pauschalen Steuerbetrag von nicht deklarierten Vermögen und künftigen Kapitalerträgen ab. Die Schweiz überweist das Geld dann an die Behörden im Ausland, ohne die Steuersünder zu verraten.
Die Mehrheit im Nationalrat sah darin eine pragmatische Lösung für das Schwarzgeldproblem. «Der Unmut ist zwar gross, aber die Vernunft obsiegt», resümierte Lucrezia Meier-Schatz (CVP/SG). Die Banken bräuchten eine akzeptable Lösung für die Vergangenheit und für die nahe Zukunft.
Alternative oder Anfang?
Die Befürworter aus den Reihen der bürgerlichen Parteien betrachten die Abgeltungssteuer als Alternative zum automatischen Informationsaustausch. Die OECD akzeptiere das Modell, gab Hansjörg Hassler (BDP/GR) zu bedenken. Die Abgeltungssteuer sei ohnehin sinnvoller: «Der automatische Austausch produziert Papier, die Abgeltungssteuer Steuern.»
Anders die Befürworter aus den Reihen der SP und der Grünen: Sie sehen die Abgeltungssteuer als Zwischenschritt auf dem Weg zum automatischen Informationsaustausch. Die Gegner innerhalb der SP befürchten ihrerseits, die Abgeltungssteuer könnte den automatischen Austausch verhindern. Corrado Pardini (SP/BE) sprach von einem «Ablasshandel» für Steuerhinterzieher. Die SP werde keinen Massnahmen mehr zustimmen, die einer Weissgeldstrategie zuwider liefen, sagte Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL).
«Weitere Kapitulation»
Der SVP wiederum gehen die Abkommen mit Deutschland und Grossbritannien zu weit. «Diese Verträge sind für einen freien Schweizer unannehmbar und entwürdigend», sagte Christoph Blocher (SVP/ZH). Er sprach von einer «weiteren Kapitulation in einem sehr durchsichtigen Wirtschaftskrieg». Ziel sei es, den Schweizer Finanzplatz zu schwächen.
Bedauerlicherweise spielten die Banken mit. Den Bankmanagern gehe es aber lediglich darum, die eigene Haut zu retten: «Wir vernichten den Finanzplatz, damit die Bankmanager nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.» Die Schweiz dürfe aber nicht Steuern für fremde Staaten eintreiben. «Es gibt immer eine Alternative», sagte Blocher, ohne diese zu nennen.
Mangelnder Realitätssinn
Die SVP kritisierte aber auch die ausgehandelten Einzelheiten, vorab die Höhe der Steuern. «Wohlhabende Deutsche werden ihr Geld abziehen», prophezeite Caspar Baader (SVP/BL). Ausserdem sei die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet und die Verwendung gestohlener Bankdaten nicht ausgeschlossen.
Thomas Maier (GLP/ZH) warf sowohl der SVP und als auch der SP mangelnden Realitätssinn vor. Die einen trauerten dem nach, was einmal gewesen sei - und machten damit alles nur noch schlimmer. Die anderen wollten die Schweiz zur Musterschülerin machen – und dabei den Finanzplatz abwürgen. Der dritte Weg sei der richtige, nämlich das Ja zu den Abkommen.
Schwarzgeld kein Zukunftsmodell
Der Rat lehnte schliesslich sowohl die Anträge der SVP als auch jene der SP ab. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hatte sich erneut für die Abkommen stark gemacht. Das jahrzehntelang praktizierte Modell der Annahme unversteuerter Gelder sei kein Modell für die Zukunft, stellte sie fest. Darin seien sich offenbar alle einig. Jedenfalls habe sie im Rat nichts anderes gehört, zumindest nicht direkt.
Den Gegnern aus den Reihen der SP gab Widmer-Schlumpf zu bedenken, der automatische Austausch sei heute nicht OECD-Standard. «Was in zehn Jahren sein wird, wissen wir alle nicht.» Blocher entgegnete sie, es sei auch «unannehmbar und entwürdigend», den Kopf in den Sand zu stecken oder sich an die Wand fahren zu lassen.
Umsetzung nicht geregelt
Nein sagte der Nationalrat zum Gesetz über die internationale Quellenbesteuerung, das die Umsetzung der Steuerabkommen in der Schweiz regelt. Der Entscheid fiel mit 89 zu 85 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Den Ausschlag gaben die Stimmen der SVP und der SP.
Die SP hatte erfolglos versucht, ihre Anliegen im Gesetz zu verankern. So verlangte sie etwa, dass die Schweiz auch Entwicklungsländern solche Abkommen anbieten soll. Ausserdem wollte sie festhalten, dass die Abgeltungssteuer eine Ergänzung zum automatischen Informationsaustausch darstellt.
Das Gesetz geht nun zur Differenzbereinigung zurück an den Ständerat, der es gestern gutgeheissen hatte. An der Zustimmung zu den Steuerabkommen ändert dies nichts. Nehmen die Abkommen auch die weiteren Hürden, treten sie nächstes Jahr in Kraft. In Deutschland bleibt der Widerstand jedoch gross (siehe Info-Kasten).
SDA/ami
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