Zürcher SicherheitsbefragungJeder Dritte findet, die Polizei behandle nicht alle gleich
Die Stadtpolizei hat in den letzten Jahren viel gegen Racial Profiling unternommen. Warum das den Zürchern nicht genügt und was sie sonst von der Polizei halten.

Das externe Forschungsinstitut Demoscope hat im Auftrag der Stadtpolizei untersucht, wie sicher sich Zürcherinnen und Zürcher in ihrer Stadt fühlen und wie sehr sie ihrer Polizei vertrauen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse:
Bevölkerung vertraut Polizei und fühlt sich sicher
Die guten Nachrichten vorweg: Die Zürcherinnen und Zürcher haben generell ein hohes Vertrauen in die Stadtpolizei. Vier von fünf Personen, die in den letzten Jahren mit der Polizei Kontakt hatten, empfanden das Verhalten der Polizistinnen und Polizisten als korrekt. Die Stadtpolizei wird als «hilfsbereit, ansprechbar und vertrauenswürdig» beschrieben.
Das mag überraschen: Gerade wieder steht sie wegen ihres Vorgehens gegenüber der Frauendemo vom Samstag in der Kritik. Sie stoppte den Demonstrationszug mit Tränengas und verzeigte weit über hundert Personen. Bei der Verhaftung zweier Frauen schlug ein Polizist einer Demonstrantin mehrfach gegen den Kopf (lesen Sie hier mehr dazu).
Auch 2020 wurde die Stadtpolizei wegen ihrem Zickzackkurs bei Demos mehrfach kritisiert. Beispielsweise löste sie an einem Freitag einen Veloumzug auf, um am darauffolgenden Montag eine Black-Lives-Matter-Demo mit mehreren Hundert Teilnehmenden gewähren zu lassen.
Stadtpolizei-Kommandant Daniel Blumer sprach an der Medienkonferenz am Donnerstag von einem «schwierigen Jahr», sagte aber, er sei stolz über die Ergebnisse der Befragung: «Das ist ein grossartiges und verdientes Kompliment an unsere Polizistinnen und Polizisten.» Stadträtin und Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart ergänzte: «Die Stadtpolizei macht einen hervorragenden Job.»
Die Hälfte meidet nachts gewisse Orte
98 Prozent der Befragten gibt an, sich am Tag sicher zu fühlen. In der Nacht hingegen fühlt sich jede fünfte Person unsicher. Knapp die Hälfte aller Befragten meidet nachts bestimmte Orte. Besonders oft wird die Langstrasse genannt. Danach kommen Kreis 4 und 5, Parks, Bahnhöfe oder «dunkle Orte», wie es der Mitteilung der Stadtpolizei heisst. Ältere Leute fühlten sich häufiger unsicher als junge.
Verunsichert sind die Befragten insbesondere von Dealern, Betrunkenen, Jugendlichen und Ausländern. Jede fünfte Person nannte Probleme mit einer dieser Gruppen als dringendes Sicherheitsproblem. Am zweithäufigsten finden die Befragten, dass Gewalt, Raub, Pöbeleien oder Belästigungen im öffentlichen Raum in Zürich ein Problem sind.
Mehr als ein Drittel findet, Polizei behandelt Leute ungleich
Überraschend ist, dass mehr als ein Drittel der Befragten findet, die Polizei gehe nicht mit allen Menschen gleich um. Insbesondere Dunkelhäutige und Ausländer würden anders behandelt.
Bei der letzten Bevölkerungsbefragung im Jahr 2016 lag dieser Wert noch tiefer, und dies, obwohl die Stadtpolizei in den vergangenen Jahren viel in fairere und transparentere Personenkontrollen investierte: Sie hat die Schulungen zu Racial Profiling intensiviert und klarere Regeln zu Personenkontrollen erlassen. Seit drei Jahren müssen Polizisten für jede Personenkontrolle einen Grund angeben, jede Kontrolle wird elektronisch erfasst.
Kommandant Blumer sprach von einem Dilemma: Die Polizei müsse primär diejenigen Personengruppen kontrollieren, die auch den überproportionalen Anteil an Kriminellen stellen. «Nur weil aber jemand Ausländer oder dunkelhäutig ist, ist das noch kein Grund zur Kontrolle», sagte Blumer. Polizistinnen und Polizisten müssten beispielsweise auch das Verhalten, die Kleidung oder die Örtlichkeit in ihre Einschätzung mit einbeziehen. «Daran arbeiten wir.»
Mehr als jede vierte Kontrolle sei erfolgreich. «Im Vergleich ist das ein guter Wert.» Auch kontrolliere die Polizei weniger als früher. «Offenbar wird das in der Bevölkerung aber anders wahrgenommen», sagt Blumer.
Die Bevölkerung wünscht sich mehr Fusspatrouillen
Die Stadtpolizei hat in den vergangenen Jahren ihre Präsenz auf den Strassen stetig erhöht, zwei Drittel der Befragten finden das angemessen. Ein Teil der Befragten wünscht sich aber mehr Patrouillen zu Fuss. Die Polizei will darum im Mai einen mehrmonatigen Pilotversuch starten. Diese «dialogorientierten» Fusspatrouillen werden laut Blumer nicht per se den Auftrag haben, strafbare Handlungen zu büssen, sondern sind darauf geschult, ansprechbar zu sein und anzusprechen.
Diese «bürgernahen Polizisten» könnten beispielsweise an Wochenenden am Bahnhof Stadelhofen zum Einsatz kommen, wo es in letzter Zeit immer wieder zu Gewalt unter Jugendlichen gekommen ist. Zeige der Versuch die erhoffte Wirkung, werde man das längerfristig in die Polizeiarbeit einbauen.
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