Jedes fünfte Mädchen erlebt in der Beziehung sexuelle Gewalt
Gewalt ist unter Zürcher Jugendlichen laut einer heute veröffentlichten Studie generell rückläufig. In Paarbeziehungen allerdings ist Gewalt relativ weitverbreitet.

Jugendliche im Kanton Zürich sind heute weniger gewalttätig als noch vor einigen Jahren. Deutlich abgenommen haben Raub und Erpressung. Am wenigsten deutlich ist der Rückgang allerdings bei sexueller Gewalt an Minderjährigen. Verändert hat sich dabei jedoch das Täterprofil: weg vom erwachsenen Täter aus dem familiären Umfeld hin zu gleichaltrigen oder etwas älteren Tätern, die ihre Opfer im Ausgang kennen lernen. Die Opfer von sexueller Gewalt sind fast ausschliesslich Mädchen.
Das zeigt eine Studie der Kriminologischen Forschungseinheit der ETH Zürich zu Gewalterfahrungen Jugendlicher im Kanton Zürich. Zum dritten Mal nach 1999 und 2007 hat ein Team um den Kriminologen Denis Ribeaud im vergangenen Jahr rund 2500 Neuntklässler befragt.
Mehr Gewalt in Paarbeziehungen
Gemäss der Studie – sie wurde am Dienstag in Zürich vorgestellt – erleiden 18 Prozent der Mädchen in Paarbeziehungen sexuelle Gewalt. Im Vordergrund stehen dabei elektronische Formen. So ist etwa jedes zehnte Mädchen vom Partner schon aufgefordert worden, ihm Nacktbilder oder andere sexuelle Aufnahmen zu schicken. Gegen den eigenen Willen zum Geschlechtsverkehr gedrängt worden sind hingegen deutlich weniger.
Rund ein Viertel der Jugendlichen in Paarbeziehungen gaben zudem an, im vergangenen Jahr physische Gewalt durch ihren Partner oder ihre Partnerin erlitten zu haben. Verbreitet sind vor allem Ohrfeigen, Bisse oder Schubser. Hier treten erstaunlicherweise die Mädchen deutlich öfter als Täterinnen in Erscheinung als die Buben. Dieses Phänomen ist laut den Verfassern der Studie auch in anderen Untersuchungen schon belegt worden.
Am weitesten verbreitet sind aber Versuche, die Selbstbestimmung des Partners oder der Partnerin einzuschränken. Dabei neigten sowohl Jungen als auch Mädchen in einer Partnerschaft eher zu Gewalt, wenn sie in traditionellen Rollenbildern verhaftet seien, also Männer in der Beziehung eine dominierende Stellung einnehmen.
Mobbing häufigste Form von Gewalt
Erstmals untersucht haben die Wissenschaftler das Phänomen Cybermobbing. Sie kommen dabei zum Schluss, dass Mobbing allgemein immer noch die im Jugendalter am häufigsten erlebte Form von Gewalt darstellt – und das trotz sinkender Tendenz. Mobbing mittels digitaler Medien sei heute ähnlich verbreitet wie «traditionelles» Mobbing und werde oft auch von denselben Tätern verübt.
Insgesamt stellen die Wissenschaftler einen Rückgang bei allen untersuchten Formen der Gewalt fest. Die Studie bestätige damit die polizeiliche Kriminalstatistik, stellte Ribeaud fest.
Prävention zeigt Wirkung
Laut dem Kriminologen geht es insbesondere auf den Strassen, im öffentlichen Verkehr, aber auch in Bars und Clubs heute friedlicher zu als noch vor wenigen Jahren. Mit dem Rückgang der Gewalttaten im öffentlichen Raum sei auch die Gewalt zwischen einander unbekannten Personen seltener geworden.
Ribeaud erklärt sich das mit der erhöhten Präsenz der Polizei an den Brennpunkten von Gewalt und mit der Präventionsarbeit im Kanton Zürich. Ein weiterer Grund könne sein, dass Jugendliche ihre Freizeit anders gestalteten und heute mehr Zeit zu Hause verbrächten als noch vor einigen Jahren.
Dies könne auch erklären, weshalb nicht nur Gewalt, sondern auch sämtliche anderen Formen der Jugenddelinquenz wie Vandalismus oder Diebstahl zurückgegangen seien.
Die Wissenschaftler stellen aber auch fest, dass einzelne Opfer häufig mehrere Gewalttaten erleiden und Gewalttäter einem stetig wachsenden Risiko ausgesetzt sind, selbst Opfer von Gewalt zu werden.
Insgesamt konzentriere sich Gewalt immer mehr in «gewaltaffinen Milieus», in denen Opfer- und Täterrolle zunehmend verschmelzen. An diesen Orten müssten laut Ribeaud Massnahmen zur Gewaltprävention und -intervention noch stärker auf diese Hochrisikogruppe ausgerichtet werden.
SDA/tif
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