Jetzt duellieren sich SP und GLP
Nachdem prominente SP-Mitglieder zur GLP übergelaufen sind, kommt es in Winterthur zu einem delikaten Zweikampf.

Es ist ein brisantes Duell. Ausgerechnet die SP und die GLP liefern sich in Winterthur einen intensiven Kampf um einen Sitz im Stadtrat. Wer am 7. Juli gewinnt, ist offen.
Erst wenige Wochen ist es her, dass drei SP-Parteimitglieder zu den Grünliberalen wechselten, begleitet von wüsten Schlagzeilen. So engagiert sich die ehemalige SP-Nationalrätin Chantal Galladé nun lieber in der GLP, weil diese «lösungsorientiert und faktenbasiert arbeitet, nicht ideologisch und mit Scheuklappen», wie sie beim Übertritt Ende Februar sagte. Ihrem Beispiel folgten Ende Mai SP-Nationalrat Daniel Frei und seine Partnerin, Kantonsrätin Claudia Wyssen. Beide äusserten ebenfalls laute Kritik an ihrer vergangenen politischen Heimat.
Chantal Galladé für Steiner
Inzwischen unterstützt Chantal Galladé mit Elan die Stadtratskandidatin der GLP: Annetta Steiner (54), ehemalige Lehrerin, langjährige Gemeinderätin und Beraterin für Umweltanliegen.
Sie ist in Winterthur bekannt geworden, als die Stadt 2013 sparen musste. Steiner prägte einen Sparschlüssel mit, der für jedes Departement pauschal gelten sollte. Diese sollten jeweils 0,6631 Prozent ihres Budgets einsparen. Damit hätte die gesamte Verwaltung rund 5,5 Millionen Franken kürzen sollen. Der Aufschrei gegen das pauschale Vorgehen war aber enorm. Heute sagt Steiner: «Es konnte mit Anträgen so gespart werden, dass es der Bevölkerung nicht schadet.» Inzwischen sähen die Stadtfinanzen wieder besser aus.
Chantal Galladé kennt Steiner bereits seit längerer Zeit persönlich und sagt: «Sie ist kompetent, lebenserfahren, eine Frau: einfach die richtige Wahl.» Den Kandidaten der SP hingegen kennt Galladé nicht. Es ist Kaspar Bopp (40), Projektleiter bei der Axa. Er ist praktisch ein politischer Neuling. Bopp sass zwar ab 2013 im Winterthurer Gemeinderat, trat aber nach nur zweieinhalb Jahren wieder zurück. Als Vater von drei Kindern widmete er mehr Zeit seiner Familie, damit seine Frau eine Weiterbildung besuchen konnte. Inzwischen leben sie getrennt, seine Kinder seien älter, und er habe wieder mehr Zeit, sagt er.
Um Bopp bekannt zu machen, engagiert sich die SP intensiv. Seine Wahlplakate hängen sogar am Bahnhof Stadelhofen, damit sich die Pendlerinnen und Pendler seinen Namen einprägen. Denn die Partei hat einiges zu verlieren: den dritten Sitz im siebenköpfigen Stadtrat und die rot-grüne Mehrheit, die sie erst vor kurzem wiedererlangt hat. Die ehemalige SP-Gemeinderätin Marianne Ott sagt denn auch: «Wir müssen deutlich machen, dass nur mit Bopp die rot-grüne Mehrheit bestehen bleibt. Ansonsten wird diese wieder bürgerlich.» Gerade in Finanzfragen sei Steiner sehr bürgerlich. Weil sie finanzpolitisch auf sie zählen kann, unterstützt auch die FDP ihre Kandidatur.
Frauenquote versprochen
Nach dem nationalen Frauenstreik wird der Zweikampf zwischen SP und GLP noch brisanter: Es ist ein Duell Mann gegen Frau. Gewinnt er, schrumpft der Frauenanteil im Stadtrat von drei auf zwei. Auch mit der Frauenfrage seien sie konfrontiert, sagt Marianne Ott, die in der SP-Findungskommission mitgewirkt hat. Schon bei Bopps Nomination gab die SP bekannt, dass die angefragten Frauen abgelehnt hätten. In diesem Fall habe man sich für einen Mann entschieden, sagt Ott und verweist auf die vielen aktiven SP-Frauen aus Winterthur: Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Nationalrätin Mattea Meyer, Kantonsrätin Sarah Akanji und Stadträtin Christa Meier. Zudem sei Bopp beim Thema Frauenförderung bestimmt die bessere Wahl als Steiner, sagt Ott. Er setze sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und für Krippenplätze ein.
Bopp selbst verspricht, sich für eine «Quote» von 40 Prozent Frauenanteil in der Verwaltung zu engagieren, wie das auch die SP Schweiz fordert. Sie soll ein Richtwert sein, über den die Abteilungen Rechenschaft ablegen müssen und von dem sie nur in Ausnahmefällen abweichen dürfen. Ähnliches hat jedoch auch GLP-Kandidatin Steiner im Sinn. Sie lehnt eine fixe Quote über die ganze Verwaltung zwar ab, will jedoch verbindliche Zielvorgaben einführen. Sie sagt: «Ich würde mich stark engagieren, um Frauen für Führungsaufgaben zu motivieren.»
Kampf ähnlicher Parteien
Für Politikprofessor Thomas Widmer ist die Konstellation dieser Wahlen «speziell, weil zwei Parteien um einen Sitz kämpfen, die nur einen Teil des politischen Spektrums abbilden». Das erschwere den Wählerinnen und Wählern die Entscheidung. Die jüngsten Parteiwechsel machten die Ausgangslage zusätzlich delikater. Weil sie darauf hindeuten könnten, dass die GLP etwas nach links rutsche und die Frage offen sei, wie sie sich künftig verhalte.
Etwas anderes dürfte der SP mehr Sorgen bereiten. «Mit der SP und der GLP treffen zwei Parteien aufeinander, die einen unterschiedlichen Formstand aufweisen», sagt Widmer. Die GLP sei zurzeit im Hoch. Die SP stagniere. Könne die SP den Sitz verteidigen, werde das keine grossen Wellen schlagen. Könne die GLP den Sitz erobern, wäre das für die GLP ein Riesenerfolg und für die SP ein Debakel.
Bei diesem Duell sei es entscheidend, wer seine Anhängerschaft mobilisieren könne, sagt Widmer. Falls die SP mithilfe der Grünen das gut macht, dürfte es ihr Kandidat schaffen. Gemeinsam erreichen die beiden Parteien einen Wähleranteil von über 40 Prozent. Die GLP und ihre Unterstützerin FDP kommen auf knapp 25 Prozent.
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